Berlin. Nach der Schlappe bei der Wahl zum SPD-Chef bekommt Sigmar Gabriel Rückendeckung. Zweifel an seiner Kanzlerkandidatur wachsen dennoch.

Die heftige Wahlschlappe für SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine Debatte um seine geplante Kanzlerkandidatur ausgelöst: Führende SPD-Politiker stellen sich zwar hinter den Vorsitzenden – doch der SPD-Vordenker Erhard Eppler ging gestern als erster Parteiprominenter auf Distanz.

Für Gabriel sei das schlechte Wahlergebnis eine schmerzhafte Erfahrung, sagte Eppler der Ulmer „Südwest Presse“. Auf die Frage, ob Gabriel noch Kanzlerkandidat werden könne, sagte Eppler: „Theoretisch ja. Sein Motiv ist offenbar, es zu tun, aber er ist jetzt nicht gerade gestärkt.“ Möglicherweise werde seine erste Reaktion deshalb nicht das letzte Wort sein.

Fraktionsgeschäftsführerin mahnt: Mit Streit gewinnt man keine Wahlen

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sagte dagegen der Berliner Morgenpost: „Gabriel ist als Parteivorsitzender der natürliche Kanzlerkandidat der SPD, daran hat sich nichts geändert.“ Die SPD-Politikerin sagte weiter: „Wir müssen jetzt nach vorne schauen und Gabriel den Rücken stärken.“ Lambrecht ermahnte ihre Partei, mit Selbstbeschäftigung und Streit gewinne man keine Wahlen: „Nur wenn wir einig und geschlossen auftreten, können wir unsere Ziele erreichen.“

Gabriel war am Vortag mit nur 74,3 Prozent der Delegiertenstimmen als Parteichef wiedergewählt worden – das bisher schlechteste Wahlergebnis für einen SPD-Vorsitzenden ohne Gegenkandidaten. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sieht Gabriel dennoch als wahrscheinlichen Kanzlerkandidaten. Der Parteitag sei „dem inhaltlichen Kurs von Gabriel klar gefolgt“, sagte Schäfer-Gümbel der Berliner Morgenpost. „Damit hat er als Vorsitzender den ersten Zugriff auf die Kandidatur.“ Das Wahlergebnis werde Gabriel nicht gerecht. Der Vorsitzende werde „so leidenschaftlich wie eh und je für wirtschaftliche Stärke und soziale Gerechtigkeit arbeiten.“

Arbeitnehmerflügel will sich nicht zu schnell auf einen Kandidaten festlegen

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sagte, Gabriels Wahlergebnis sei „eine gute Basis“ für seine Kanzlerkandidatur – der Vorsitzende sei in dieser Hinsicht nicht geschwächt. Aus dem Arbeitnehmerflügel der SPD kam allerdings die Mahnung, sich nicht zu früh auf einen Kanzlerkandidaten festzulegen.

Gabriel selbst zeigte sich nach dem Debakel kämpferisch: Zum Abschluss des SPD-Parteitags kündigte Gabriel am Samstagmittag nicht nur an, er werde an seinem „Kurs auf das Zentrum der Gesellschaft und auf die Mitte des Landes“ festhalten. Der Vorsitzende warnte die SPD auch vor „Rigorismus und Selbstzufriedenheit“. Schon zuvor hatte Gabriel gemahnt: „Wenn man Regieren will, muss man Bedingungen des Regierens kennen.“ Gabriel wertet die Wahl als Abstimmung über seinen Mitte-Kurs und erklärte, er selbst habe deshalb mit einem mäßigen Ergebnis gerechnet und auf 78 Prozent getippt.

Der Parteitag endete harmonisch: In der Frage des umstrittenen transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP stellte sich der Konvent mit breiter Mehrheit hinter den Kurs von Gabriel, der für Vereinbarungen mit den USA und Kanada wirbt.