Berlin/Karlsruhe. Der CDU-Parteitag am Dienstag könnte rau werden für Angela Merkel. Vielleicht hilft ihr, wenn die Delegierten sich an Burkas austoben.

A Hund is er scho. Das ist Lob, bajuwarisches Lob. Aber auch einem Horst Seehofer wird nicht alles nachgesehen, vor allem nicht, wenn er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem CSU-Parteitag abtropfen lässt. 13 Minuten lang musste sie stehend auf der Bühne in München ausharren, sich anhören, wie der CSU-Chef ihre Rede zensierte. Wenige Wochen ist das her, die Erinnerung daran ist noch frisch, wenn er zum CDU-Parteitag anreist, der am Montag in Karlsruhe beginnt.

Auch für Merkel ist es kein Routineauftritt. Die Frau, die vom Magazin „Time“ zur Person des Jahres gekürt wurde – geehrt für ihren Willen, Brücken zu bauen statt Mauern – kommt den Kritikern ihrer Flüchtlingspolitik nicht entgegen. Der Leitantrag dazu untermauert betonhart ihre Position. Die Abstimmung wird zur verkappten Vertrauensfrage – Merkel will es so.

Merkel baute Seehofer Brücken

Die Messen sind längst gelesen, wenn Seehofer am Dienstag nach Karlsruhe kommt. Er hat bis zuletzt gehofft, dass sie ihm mit dem Antrag eine Brücke baut, das Signal gibt, das er von Monat zu Monat verbissener anmahnt: dass die Grenzen der Belastbarkeit erreicht und man „in aller Ruhe“ über nationale Maßnahmen nachdenken müsse, über „Obergrenzen“ etwa. Drei Stunden braucht man von Ingolstadt nach Karlsruhe, genug Zeit, um im Auto alles zu analysieren: Merkels Rede, den Wortlaut des Antrags, das Abstimmungsergebnis, das Echo.

Wie ein Canossagang darf es nicht aussehen. Seehofer hat nicht vor, in Sack und Asche zu gehen. Am Vorabend ist er beim Weihnachtsessen in der CSU-Parteizentrale, den nächsten Morgen hat er sich frei gehalten. Er fährt ausgeruht nach Karlsruhe. Er will in Bestform sein, wie immer frei reden. Eine launige Bemerkung zur Episode in München sollte ihm einfallen; zu viele Worte darum will er nicht machen.

Angriff galt nicht der Kanzlerin

Der Vorfall hat ihm geschadet. Merkel ist eine Frau. Die Kanzlerin. Eine Respektsperson. In Seehofers Umfeld wird der Verstoß gegen die Etikette nach Kräften relativiert. Die Einladung habe nicht der Kanzlerin gegolten, sondern der CDU-Chefin. Eine Parteipolitikerin, so die Logik, darf man anders anfassen als eine Amtsperson. Befangen ist nun nicht nur der bayerische Gastredner, sondern auch seine Zuhörer. Selbstredend wird er einen Sitzplatz angeboten bekommen. Ansonsten würden sich die 1000 Delegierten alle Mühe geben, vermutet ein Kabinettsmitglied, „Seehofer höflich zu behandeln, aber nicht mehr“. Das Minimum. Merkel hält es auch so.

Natürlich redet die Kanzlerin wieder mit ihm. Sie telefonierten am Wochenende, stimmten sich ab, sahen sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz und trafen sich zweimal, um die Flüchtlingspolitik zu überprüfen. So ist es vereinbart, an die Geschäftsgrundlage hält sich Merkel kühl bis ans Herz.

Junge Union will Obergrenzen beantragen

Was in München passiert war, muss man verstehen. Merkel war gekommen und hatte nichts mitgebracht: kein Zugeständnis, keinen Formelkompromiss. Sie hat Bayern und die CSU kleingeredet. So kam es bei Seehofer an. In der Sache tröstet sich der CSU-Chef damit, dass er an der Basis der Schwesterpartei Zustimmung erfährt. In seinem Umfeld wird genau registriert, dass die Junge Union Obergrenzen beantragen will und viel Anklang findet. Ihm erging es genauso auf CDU-Parteitagen in Sachsen und Thüringen. Wenn die Anstrengungen auf internationaler Ebene nicht bis Jahresende griffen, „müssen wir Wert darauf legen, dass wir auch bei uns in Deutschland und Europa Recht und Ordnung herstellen“, hatte er dort gesagt. Tusch.

Merkel hat ihre Leibgarde, allen voran ihre Stellvertreter, von denen zwei vor Wahlen stehen, Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz, Thomas Strobl in Baden-Württemberg. Sie wollen „Streit“-Schlagzeilen unbedingt vermeiden. In Merkels Umfeld weiß man aber, dass Karlsruhe „kein Parteitag der Jubelstürme“ wird.

Dampf ablassen beim Burka-Verbot

Die Flüchtlingsfrage werde „das dominierende Thema“, weiß Günter Krings. Merkel verdrängt einen anderen Konflikt, der seit Monaten schwelt, den über ein Einwanderungsgesetz. Ein Plädoyer dafür findet sich im Reformpapier von CDU-Vizechef Armin Laschet. Der Riss geht quer durch seine NRW-Partei. Krings, Innenstaatssekretär, und die CDU Niederrhein haben sich an die Spitze der Kritik gegen ein Einwanderungsgesetz gesetzt. „Wir haben bereits ein sehr gutes Einwanderungsrecht für Fachkräfte“, sagte er unserer Redaktion und warnte davor, „hier falsche Hoffnungen zu wecken“.

Dass die Ausländerfrage die CDU verändern wird, spüren alle. Die Zahl der Mitglieder ist von September auf November von 449.735 auf 448.088 gesunken. Es gibt Austritte, aber auch viele Eintritte, gerade von Migranten. Das Thema Integration treibt die Partei um, es gibt diverse Anträge dazu. Die Dortmunder CDU verlangt eine Kommission zur Leitkultur, der Bezirksverband Nordwürttemberg den Erwerb des Führerscheins an einen deutschen Sprachtest zu koppeln. Und Klöckner will, dass die CDU das Tragen von Burkas in der Öffentlichkeit ablehnt. Womöglich werden die Delegierten das zuspitzen und sogar auf ein Verbot pochen. Es wäre ein Ventil, und irgendwo sollen sie Dampf ablassen können.