Hannover. Mit markigen Worten zur Flüchtlingskrise ist der AfD-Parteitag gestartet. Bei der Bundestagswahl hofft die AfD auf bis zu 20 Prozent.

Als der heimliche Hauptdarsteller kommt, ist die Chefin schon lange fertig. Kaum hat Björn Höcke am Samstagmittag die Congress Halle in Hannover betreten, gehört dem AfD-Fraktionschef aus dem Thüringer Landtag die Aufmerksamkeit des Bundesparteitags. Dagegen kann Frauke Petry, die Sprecherin der rechtskonservativen Alternative für Deutschland, fortan fast unbemerkt durch die Halle wandeln. Wenige Minuten zuvor hatten ihr die 600 Delegierten noch lautstark zugejubelt, als sie den Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Worten „Treten Sie zurück, Sie schaffen das“ forderte.

Händeschütteln da, Erinnerungsfoto hier, Schulterklopfen dort – obwohl Höcke – wie immer elegant gekleidet im schwarzen Anzug und mit der blauen Krawatte – gar kein Delegierter ist, strömen nicht nur AfD-ler, sondern auch zahlreiche Journalisten zu ihm. Der 43-Jährige ist als Wortführer einer Gruppe rechter AfD-Mitglieder einer der umstrittensten, aber zugleich auch meistgefragten Köpfe der Partei.

Delegierte feiern Höcke

„Höcke ist der Beste. Höcke ist ein Patriot. Er ist nicht rechts“, fasst ein Delegierter aus Thüringen, der seinen Namen nicht nennen möchte, die Stimmungslage in der Partei zusammen. Der Delegierte ist mit seiner Zustimmung gegenüber dem „Rechtspfosten“, wie ihn der niedersächsische AfD-Landeschef Armin Paul Hampel nannte, nicht alleine. „Das Umfragehoch haben wir Höcke zu verdanken“, betont ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen, der auch anonym bleiben möchte.

Höckes Botschaft ist – wenn er danach gefragt wird – einmal mehr polarisierend: Die etablierten Parteien in Deutschland – von der Linken bis zur CSU – hätten eine „multikulturelle Revolution von oben“ zum Ziel, wollten Deutschland abschaffen. Die AfD müsse dies verhindern und den „Deutschland-Abschaffern die Rote Karte zeigen“.

Ans Rednerpult darf Höcke aber nicht treten. Das gehört an diesem Samstag Petry und dem Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen. Beide lassen in ihren Reden erkennen, mit welchem Selbstbewusstsein die AfD in Zeiten von Umfragewerten rund um die zehn Prozent und wachsenden Mitgliederzahlen auftritt: „Treten Sie zurück, Sie schaffen das“, fordert Petry die Bundeskanzlerin auf. Merkel habe die Kontrolle verloren. „Die Eurokrise, die Krise der EU und auch die Migrationskrise sind letztendlich Folge einer viel tiefer gehenden demokratischen Krise.“

Meuthen: 20 Prozent sind machbar

Zuvor hatte Meuthen erklärt, die AfD habe mit ihrer Politik ein Alleinstellungsmerkmal und deshalb bei der nächsten Bundestagswahl ein Potenzial von bis zu 20 Prozent. „Es braucht keine weitere CDU oder SPD, die gibt es schon. Wenn eine neue Partei Erfolg haben will, muss sie was Neues anbieten und nicht etwa den alten Wein in neuen Schläuchen anbieten.“

Aber Petry muss auch erfahren, dass ihr die Partei nicht ohne weiteres und nicht überall hin folgt. Der Vorstandsantrag zur Asylpolitik wird abgeschmettert, stattdessen folgt die Mehrheit einer Resolution des Landesverbandes aus Nordrhein-Westfalen, dem Petrys Lebensgefährte Marcus Pretzell vorsteht.

Inhaltlich gibt es keine großen Unterschiede: Grenzkontrollen, Asylrecht verschärfen, Familienzuzug beschränken. Aber eine Schlappe für den Vorstand ist es doch.

Petry nimmt sich dann auch noch einmal die Journalisten vor, von denen sie weniger Kritik an der Partei, mehr Verständnis und mehr Humor fordert. Immer wieder hatte sich die AfD über unsachliche Berichterstattung beklagt. „Liebe Vertreter der Pinocchio-Presse“, sagt Petry. Die Holzpuppe Pinocchio, der wegen ihrer Lügen eine lange spitze Nase wächst. Lügenpresse light also. „Lachen Sie auch einmal über sich selbst“, rät Petry. Ob damit das kühle Verhältnis der AfD zur Presse anhaltend entspannt wird, darf bezweifelt werden. (dpa)