Berlin. Die Übergriffe auf Polizisten nehmen zu. Die CDU spricht von „Gewalttourismus“ und fordert ungewöhnliche Gegenmaßnahmen.

Sie werden bespuckt, geschlagen, bedroht, beleidigt, verletzt. So kann es Polizisten ergehen, die zur Hilfe gerufen werden. Die Übergriffe auf Polizei-, Feuerwehr- und Rettungskräfte nehmen seit Jahren zu. Die CDU-Innenpolitiker drängen jetzt auf eine massive Abschreckungsstrategie. Die Beamten, die täglich ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, sollen besser geschützt werden. Die CDU fordert zum einen härtere Strafen für die Täter und zum anderen, den Einsatz von Schulterkameras – so genannten Body-Cams – auszuweiten.

Bisher liegt das Strafmaß bei bis zu drei Jahren, in besonders schweren Fällen bei fünf Jahren. Künftig sollen die Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahre betragen. Das hat der sogenannte Bundesfachausschuss Innenpolitik der CDU beschlossen. Der Beschluss liegt unserer Redaktion vor. Die Partei macht sich dafür stark, dass die Sanktionen nicht nur bei Widerstand gegen Vollzugsbeamte greifen, sondern grundsätzlich schon bei jedem Angriff auf Polizisten und Rettungskräfte. Die Gewerkschaft der Polizei beklagt, dass die Attacken häufig unvermittelt kommen, ohne jeden Bezug zu einem Einsatz.

Ein höheres Strafmaß ist mit Minister Maas nicht zu machen

Geleitet wird die Expertengruppe vom hessischen Innenminister Peter Beuth. Zu ihr gehören die führenden Fachpolitiker der CDU, Bundesinnenminister Thomas de Maizière ebenso wie der Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Letzterer erwartet, dass der CDU-Parteitag Mitte Dezember auch dazu einen Beschluss fasst - schon um den Druck auf den Koalitionspartner zu erhöhen, auf die Sozialdemokraten.

Verabredet ist in der großen Koalition ein besserer Schutz der Polizei, aber nicht zwangsläufig auch höhere Strafen. Gegen diese Forderung sperrt sich Justizminister Heiko Maas (SPD). Zumal das Strafmaß schon in der Vergangenheit erhöht wurde – bislang aber ohne signifikante Abschreckung. Auch Wendt deutet Zweifel an. Man könne annehmen, setzt er ironisch an, „dass die Angreifer vorher nicht das Strafgesetzbuch studiert haben“.

Eine Körper-Kamera schreckt potenzielle Aggressoren ab

Beste Realisierungschancen hat hingegen der Einsatz von mobilem Videoschutz, weil er Ländersache ist und vor allem weil die Polizei damit schon positive Erfahrungen gemacht hat: In den Streifenwagen sind seit Jahren Kameras fest installiert, auch in Brennpunkten und einem Pilotprojekt in Frankfurt tragen die Beamten bereits Body-Cams. In mehreren Ländern werden sie getestet.

Eine Körper-Kamera schrecke potenzielle Aggressoren ab und „trägt zu einer Deeskalation der Kontrollsituation bei“, glauben die Innenpolitiker der Union. Die Widerstandshandlungen seien „signifikant reduziert worden“. Der Angriff unterbleibe, erläuterte Wendt im Gespräch mit unserer Redaktion, „wenn mein Gegenüber genau weiß, alles, was ich mache, wird später vor und zurück und in Zeitlupe beim Staatsanwalt oder Richter gespielt.“

Risiko für Polizisten in Stadtstaaten am höchsten

Dass es nicht um seltene Einzelfälle geht, zeigt der aktuelle Lagebericht des Bundeskriminalamts (BKA). Für 2014 weist er 62.770 Opfer unter den Beamten aus. Das sind im Vergleich zum Vorjahr 6,2 Prozent mehr Fälle. Die Skala reicht von Bremen (870 Fälle) bis Nordrhein-Westfalen (13.452). Am höchsten ist die Gefahr – auf 100.000 Einwohner betrachtet – allerdings in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg. In Ländern wie NRW und Thüringen gehen 79 Prozent der Vorfälle auf Widerstand gegen die Vollzugsbeamten zurück.

Indes führt die Statistik viele weitere Delikte an: Bedrohung, Nötigung, einfache, aber auch gefährliche bis schwere Körperverletzungen, Raub sowie 123 Tötungsdelikte, das heißt: versuchter Mord (60) oder Totschlag (63). Besonders gefährdet sind nach einer NRW-Studie der Wachdienst und die Bereitschaftspolizei. Als Folgen der Gewalt klagen die Opfer über anhaltende Schlafstörungen, überzogene Wachsamkeit und ständige Reizbarkeit.

„Autoritätsverfall des Staates auf breiter Ebene“

„Was wir erleben, ist ein Autoritätsverlust des Staates auf breiter Ebene“, mahnt Gewerkschafter Wendt. Diesen Mangel an Respekt würden die Polizisten zwar an erster Stelle zu spüren bekommen, aber betroffen seien auch Richter und Lehrer, Staatsanwälte und die Mitarbeiter in den Bürgerämter und Arbeitsagenturen. Über die Gewalt gegen sie führt keine Behörde eine Statistik.

Im Sommer sorgten die Fälle von Helfern in Flüchtlingsheimen, die Ziel von Attacken waren, für Entsetzen. Seither ist das Risiko für die Betreiber von Asyl-Unterkünften größer denn je geworden, wie die jüngste Warnung des BKA zeigt.

Das Gewaltpotenzial gegen die Einsatzkräfte hat sich nach der Analyse der CDU-Innenpolitiker gar zu einer „Freizeitbeschäftigung etabliert.“ Vermehrt würden Täter angetroffen, die sich gezielt auf Auseinandersetzungen mit den Einsatzkräften vorbereiteten, heißt es in dem Beschluss. Mit dem Vorhaben reisen sie dann zu Demonstrationen und Fußballspielen an. „Gewalttourismus“ nennt es die CDU. Dieser müsse „umgehend“ beendet werden.