Berlin. Ein Makler rät zum Wohnungsverkauf, weil die Nähe zu Flüchtlingen ein Wertverlust bedeute. Ein Bürgermeister nennt das „pervers“.

Viele Anwohner glaubten zuerst an eine Fälschung, als sie das Schreiben eines Immobilienmaklers aus dem Briefkasten nahmen: Darin warnt das Unternehmen Stadt&Raum vor einem Wertverlust bei Eigentumswohnungen durch eine neue Registrierungsstelle für Flüchtlinge im Berliner Stadtteil Wilmersdorf. Das Unternehmen rät zu einem schnellen Verkauf und bezieht sich in seinem Brief auch auf Berichte über „Gewalttaten in Flüchtlingslagern“.

„Falsche Behauptungen und Vorurteile“

„Schäbig und pervers“ nennt Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, den Brief: „Schäbig, weil mit falschen Behauptungen und Vorurteilen massiv Ängste geschürt werden“. Die Hinweise im Brief auf eine angeblich wachsende Kriminalität im Umfeld von Flüchtlingseinrichtungen seien eine „üble Behauptung: Alle Erfahrungen belegen, dass das falsch ist“, sagt Naumann und verweist auf die Erfahrungen des Bezirks mit bereits länger existierenden Einrichtungen, beispielsweise in der Soorstraße.

„Pervers“ sei der Brief, „weil hier Brandstiftung im Gewande des Biedermanns einer vermeintlich seriösen Maklerfirma betrieben wird“, sagt Naumann. Er forderte die Berufsorganisationen der Makler auf, sich von dem Brief eindeutig zu distanzieren. Der Sprecher des Immobilienverbands Deutschland (IVD) lehnte eine Stellungnahme zu dem Schreiben ab.

„Unmöglich“ und „schockierend“ sei das Schreiben, kritisierte dagegen Markus Gruhn, Landesvorsitzender des Rings Deutscher Makler (RDM). „Wäre der Verfasser in unserem Verband Mitglied, hätten wir ihn sofort rausgeworfen“, sagte Gruhn. Ein solches Vorgehen bringe die gesamte Branche in Misskredit. Gruhn sprach von „geistiger Brandstiftung“ und „menschenverachtenden Lügen“, mit denen Ängste geschürt würden. „Eine ganz miese Masche“, beklagte der RDM-Landesvorsitzende.

„Verkaufen Sie JETZT und zwar sofort“

Die Bewohner der Straßen nahe des Bayerischen Viertels erhielten den Brief eine Woche nach Eröffnung der Registrierungsstelle. Unter der Überschrift: „Was denken Sie, was Ihre Eigentumswohnung noch wert ist? - JETZT noch, aber auch in einem halben Jahr?“ rät das Unternehmen Stadt&Raum Eigentümern: „Verkaufen Sie JETZT und zwar sofort.“

In seinem Brief schreibt das Berliner Unternehmen, das Gebäude eigne sich „sowohl für die Tausende ankommende Flüchtlinge als auch durch die Hunderte Zimmer im Hochaus bestens für die Unterbringen von – man muss es sagen – von Tausenden Flüchtlingen“. Tatsächlich wird das Hochaus als Büroraum und nicht zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt. In der Erstaufnahmestelle in der Bundesallee werden derzeit 150 Flüchtlinge am Tag registriert, es gibt keine Warteschlangen vor der Tür.

Makler bestätigt: Der Brief ist echt

Im Brief heißt es: „Wir wollen hier keinen einzigen Flüchtling diskriminieren, aber die Nachricht von Gewalttaten in Flüchtlingslagern, von Einbrüchen, Diebstählen und einfach der Nachbarschaft mit vielen, vielen insbesondere jungen Männern, die nichts zu tun haben, weil unsere Behörden so langsam sind, diese Nachrichten gehen jeden Tag durch die Presse, und als neutrale Beobachter des Marktes – das sind wir Makler sicher – wissen wir einfach, dass sich die Wohnungspreise in der Nachbarschaft solcher Großeinrichtungen im Nu halbieren.“

Uwe Fenner, Inhaber von Stadt&Raum-Immobilien, bestätigt, dass er diesen Brief geschrieben hat. Ein Kunde wolle in der Gegend eine Wohnung kaufen. Als Reaktion habe er schon Drohungen erhalten. Es tue ihm leid, dass er Gefühle verletzt habe, sagt Fenner, er habe sich wohl „im Ton etwas vergriffen“. Er will seine Äußerungen auch als Hinweis an die Verwaltung verstanden wissen, die zu wenig für die Flüchtlinge tue.

„Versuch, mit Rassismus Geld zu machen“

„Das ist schrecklich“, so kommentiert Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) den Brief. Martin Delius, Fraktionsvorsitzender der Piraten im Abgeordnetenhaus, spricht von „blankem Rassismus“. Der Brief spiele mit vermeintlichen Ängsten von Menschen. Er habe dennoch keine Sorge, dass jemand auf diese „ganze Palette von Vorurteilen“ anspringe, sagt Delius: Die Anwohner hätten sich informiert und wüssten, dass hier mit falschen Darstellungen gearbeitet werde – so sei beispielsweise an dem Standort gar keine Unterbringung vorgesehen. Hier werde versucht, „mit Rassismus Geld zu machen“. Zugleich sei der Brief aber so formuliert, dass es schwierig sei, rechtliche Konsequenzen einzufordern. Laut Berliner Staatsanwaltschaft lag dort am Mittwoch keine Anzeige vor.

Brief auf Twitter veröffentlicht

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„Skrupellose Makler wittern ihr Geschäft“ schreibt die Berlinerin Gesine von Prittwitz, die den Brief auf Twitter veröffentlichte. Ganz offen formuliert es Makler Fenner in seinem Brief an die Wohnungseigentümer so: „Noch haben nur wenige Menschen wahrgenommen, wie sich die Nachbarschaft zu einer solch riesigen Flüchtlingseinrichtung auf den Wert der umliegenden Wohnungen auswirken wird.“ Das Unternehmen habe noch „Kunden, die noch den vollen Preis bezahlen“.