Berlin . Sorge um den gesellschaftlichen Frieden im Land - aber auch Kritik an der Politik. So kommentiert die Presse ein Jahr Pegida.

Die fremdenfeindlichen Demonstrationen der Pegida-Bewegung stehen im Mittelpunkt der aktuellen Presse-Kommentare - auch im Ausland. Vor allem die deutliche Verschärfung der Tonlage bei der Kundgebung am Montagabend macht vielen Kommentatoren Sorgen.

• „Aggressives Gesicht“

Dernières Nouvelles d’Alsace (Frankreich): Die aktuelle Flüchtlingskrise hat Pegida Auftrieb gegeben. ... Doch dieses neue Pegida-Bündnis ist nicht mehr „kritisch“, sondern zeigt jetzt sein aggressives Gesicht. Jetzt werden Journalisten verprügelt, und Ausländer müssen raus. Die populistische Bewegung profitiert auch von den Differenzen zwischen der Politik der Öffnung der Bundeskanzlerin und den Einwanderer-feindlichen Äußerungen ihres Verbündeten, des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU).

• „Das rechte Gift“

El Mundo (Spanien): Die einsetzende Kälte und die Ausländerfeindlichkeit setzen den Flüchtlingen zu. In Dresden verlangten Tausende Demonstranten massive Abschiebungen. Das rechte „Gift“ feierte sein einjähriges Bestehen.

• „Gefühl der Ohnmacht“

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz): Das Gefühl der Ohnmacht und das Misstrauen gegenüber der etablierten Politik und gegenüber Fremden bilden den Nährboden der Pegida-Bewegung in Dresden und anderen Städten. Deren Hass gegen die staatlichen Institutionen macht Innenminister Thomas de Maizière (CDU) für die aufgeladene Atmosphäre verantwortlich, die zum Attentat in Köln führte.

Auch in Deutschland beschäftigen sich heute viele Kommentatoren mit der vor einem Jahr gegründeten Pegida-Bewegung. Eine Auswahl:

• „Wo bleibt die Distanzierung?“

Thüringische Landeszeitung (Weimar): Die Politik hat es nicht vermocht, zwischen Scharfmachern und Neonazis auf der einen Seite und von der Politik enttäuschten Menschen, die sich nicht mehr verstanden wissen, zu unterscheiden. Pegida muss sich vorwerfen lassen, mit ihren Parolen Einzelne zu Gewalttaten gegen Flüchtlingsheime und zuletzt zum Anschlag auf die Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker in Köln animiert zu haben. Wo bleibt die deutliche Distanzierung von solchen Gewalttaten?

• „Hass weist den falschen Weg“

Freie Presse (Chemnitz): Die Meinungsfreiheit hat Grenzen. Wenn etwa zur Gewalt gegen Menschen aufgerufen oder der öffentliche Frieden bedroht wird. Diese Grenzen der Meinungsfreiheit werden in Dresden und anderswo ausgetestet. Hass und Provokationen weisen aber den falschen Weg.

• „Keine Lösungsvorschläge“

Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Essen): Die repräsentative Demokratie, möchte man meinen, müsste Pegida dankbar sein - weil die Bewegung ein Unbehagen an der Politik artikuliert hat, das ansonsten unerkannt weiterschwelen würde, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle von Parlamenten und Regierungen. Aber ein Jahr Pegida lehrt: Außer pauschalen Ressentiments gegen alles Fremde, Journalisten und Politiker ist da nicht viel. Konstruktive Lösungsvorschläge für politische, gesellschaftliche Probleme? Fehlanzeige.

• „Gebot der Menschlichkeit“

Neue Osnabrücker Zeitung: Selbst wer aus der Geschichte nichts gelernt hat, sollte ein grundlegendes Gebot der Menschlichkeit kennen: Minderheiten haben Anspruch auf Schutz, nicht Hass. ... Die Pegida-Marschierer legen darauf keinen Wert. Überfremdung, rufen sie dumpf, heute wie vor einem Jahr.

Pegida: Chronik einer Bewegung

Am 20. Oktober 2014 hat die erste Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden stattgefunden. In einer Chronik stellen wir die wichtigsten Stationen der Bewegung dar:
Am 20. Oktober 2014 hat die erste Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) in Dresden stattgefunden. In einer Chronik stellen wir die wichtigsten Stationen der Bewegung dar: © dpa | Bernd Settnik
27. Oktober 2014: Bei der zweiten Demonstration erscheinen etwa 500 Teilnehmer. Die Demonstrationen werden auch als „Abendspaziergänge“ beworben und finden bewusst montags statt, dem Tag der „Montagsdemonstrationen“ im Vorlauf des Mauerfalls, bei denen DDR-Bürger gegen das SED-Regime demonstrierten.
27. Oktober 2014: Bei der zweiten Demonstration erscheinen etwa 500 Teilnehmer. Die Demonstrationen werden auch als „Abendspaziergänge“ beworben und finden bewusst montags statt, dem Tag der „Montagsdemonstrationen“ im Vorlauf des Mauerfalls, bei denen DDR-Bürger gegen das SED-Regime demonstrierten. © imago/Sven Ellger | imago/Sven Ellger
3. November 2014: Bei der Demonstration Anfang November gibt es eine Gegendemonstration, die von Teilen der Antifaschistischen Bewegung unterstützt wird. Von diesem Datum an kommt es zu regelmäßigen Gegendemonstrationen. Zu der Pegida-Demo kommen rund 800 Teilnehmer.
3. November 2014: Bei der Demonstration Anfang November gibt es eine Gegendemonstration, die von Teilen der Antifaschistischen Bewegung unterstützt wird. Von diesem Datum an kommt es zu regelmäßigen Gegendemonstrationen. Zu der Pegida-Demo kommen rund 800 Teilnehmer. © imago/Sven Ellger | imago/Sven Ellger
10. November 2014: Erstmals kommen mehr als 1000 Teilnehmer zu einer Demonstration von Pegida. Rund 1500 sind es nach Angaben von Beobachtern. (Hier ein weiteres Bild aus der Vorwoche)
10. November 2014: Erstmals kommen mehr als 1000 Teilnehmer zu einer Demonstration von Pegida. Rund 1500 sind es nach Angaben von Beobachtern. (Hier ein weiteres Bild aus der Vorwoche) © imago/Robert Michael | imago/Robert Michael
8. Dezember 2014: In Düsseldorf versammeln sich fremdenfeindliche Demonstranten zu einer Veranstaltung in Anlehnung an Pegida. Mit rund 400 Teilnehmern ist es der erste nennenswerte Ableger. In Würzburg und Kassel waren in den vorangegangenen Wochen nur ein Duzent beziehungsweise unter 100 Demonstranten erschienen. Dem Düsseldorfer Ableger „Dügida“ folgen weitere Gruppen in anderen Städten, die sich hauptsächlich über Facebook organisieren.
8. Dezember 2014: In Düsseldorf versammeln sich fremdenfeindliche Demonstranten zu einer Veranstaltung in Anlehnung an Pegida. Mit rund 400 Teilnehmern ist es der erste nennenswerte Ableger. In Würzburg und Kassel waren in den vorangegangenen Wochen nur ein Duzent beziehungsweise unter 100 Demonstranten erschienen. Dem Düsseldorfer Ableger „Dügida“ folgen weitere Gruppen in anderen Städten, die sich hauptsächlich über Facebook organisieren. © imago/Reichwein | imago/Reichwein
18. Dezember 2014: In einem Beitrag der Sendung „Panorama“ in der ARD melden sich erstmals Teilnehmer einer Demonstration in Dresden zu Wort. Bis auf die Führungsriege hatten die Teilnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit den Medien gesprochen, lediglich die Parole „Lügenpresse“ skandiert. Die interviewten Demonstranten geben offen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen von sich. Der erste Interviewpartner stellt sich später jedoch als Mitarbeiter von RTL heraus.
18. Dezember 2014: In einem Beitrag der Sendung „Panorama“ in der ARD melden sich erstmals Teilnehmer einer Demonstration in Dresden zu Wort. Bis auf die Führungsriege hatten die Teilnehmer bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit den Medien gesprochen, lediglich die Parole „Lügenpresse“ skandiert. Die interviewten Demonstranten geben offen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen von sich. Der erste Interviewpartner stellt sich später jedoch als Mitarbeiter von RTL heraus. © BM | NDR
19. Dezember 2014: Pegida wird unter dem Namen „PEGIDA e.V.“ beim Amtsgericht Dresden unter dem Registerzeichen VR 7750 als Verein eingetragen. Am 19. März 2015 wird zudem der „PEGIDA Förderverein e.V.“ in Dresden gegründet.
19. Dezember 2014: Pegida wird unter dem Namen „PEGIDA e.V.“ beim Amtsgericht Dresden unter dem Registerzeichen VR 7750 als Verein eingetragen. Am 19. März 2015 wird zudem der „PEGIDA Förderverein e.V.“ in Dresden gegründet. © BM | Facebook
18. Januar 2015: Kathrin Oertel, Pressesprecherin und Gründungsmitglied von Pegida, tritt in der Talkshow „Günther Jauch“ auf.
18. Januar 2015: Kathrin Oertel, Pressesprecherin und Gründungsmitglied von Pegida, tritt in der Talkshow „Günther Jauch“ auf. © imago/Müller-Stauffenberg | imago/Müller-Stauffenberg
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, lädt das Führungsteam von Pegida zu einem Gespräch mit anschließender Pressekonferenz. Auslöser für die Pressekonferenz sind unter anderem Terrordrohungen gegen die geplante Demonstration, die aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde.
Der Direktor der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Frank Richter, lädt das Führungsteam von Pegida zu einem Gespräch mit anschließender Pressekonferenz. Auslöser für die Pressekonferenz sind unter anderem Terrordrohungen gegen die geplante Demonstration, die aus Sicherheitsgründen abgesagt wurde. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
21. Januar 2015: Die Dresdener Staatsanwaltschaft leitet gegen Lutz Bachmann ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein. Zuvor waren Facebook-Einträge des Pegida-Gründers aufgetaucht, in denen er Migranten als „Gelumpe“ und Viehzeug“ bezeichnet hatte. Bachmann tritt daraufhin als Vereinsvorsitzender zurück. Im Oktober 2015 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bachmann erhoben hat.
21. Januar 2015: Die Dresdener Staatsanwaltschaft leitet gegen Lutz Bachmann ein Verfahren wegen Volksverhetzung ein. Zuvor waren Facebook-Einträge des Pegida-Gründers aufgetaucht, in denen er Migranten als „Gelumpe“ und Viehzeug“ bezeichnet hatte. Bachmann tritt daraufhin als Vereinsvorsitzender zurück. Im Oktober 2015 wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bachmann erhoben hat. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
26. Januar 2015: In Dresden findet an diesem Montag keine Pegida-Demonstration statt. Stattdessen stehen prominente Musiker wie Herbert Grönemeyer, die Band Silly und Jan Josef Liefers gegen Fremdenfeindlichkeit auf der Bühne.
26. Januar 2015: In Dresden findet an diesem Montag keine Pegida-Demonstration statt. Stattdessen stehen prominente Musiker wie Herbert Grönemeyer, die Band Silly und Jan Josef Liefers gegen Fremdenfeindlichkeit auf der Bühne. © imago/epd | imago/epd
28. Januar 2015: Lutz Bachmann kündigt an, bei Pegida doch wieder aktiv werden zu wollen. Die Reaktion folgt sofort: Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder des Organisationsteams treten aus dem Verein aus.
28. Januar 2015: Lutz Bachmann kündigt an, bei Pegida doch wieder aktiv werden zu wollen. Die Reaktion folgt sofort: Kathrin Oertel und fünf weitere Mitglieder des Organisationsteams treten aus dem Verein aus. © imago/Max Stein | imago/Max Stein
13. April 2015: Bei der Pegida-Kundgebung in Dresden tritt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders auf. Etwa 10.000 Besucher kommen zu Wilders Auftritt.
13. April 2015: Bei der Pegida-Kundgebung in Dresden tritt der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders auf. Etwa 10.000 Besucher kommen zu Wilders Auftritt. © imago/Sebastian Willnow | imago/Sebastian Willnow
Im sächsischen Freital versammeln sich Neonazis zu teils gewalttätigen Protesten gegen den Ausbau eines Asylbewerberheims zur Erstaufnahmeeinrichtung. Pegida-Gründer Lutz Bachmann wirkt an der Mobilisierung mit und reist selbst nach Freital.
Im sächsischen Freital versammeln sich Neonazis zu teils gewalttätigen Protesten gegen den Ausbau eines Asylbewerberheims zur Erstaufnahmeeinrichtung. Pegida-Gründer Lutz Bachmann wirkt an der Mobilisierung mit und reist selbst nach Freital. © picture alliance / AP Photo | dpa Picture-Alliance / Jens Meyer
12. Oktober 2015: Nachdem die Besucherzahlen zwischenzeitlich zurückgegangen waren, kommen eine Woche vor dem Jahrestag der ersten Demo wieder etwa 9000 Teilnehmer zu der Demonstration. Mindestens ein Teilnehmer der Demonstration hält einen selbst gebastelten Galgen hoch mit der Aufschrift „Reserviert Siegmar „das Pack“ Gabriel“ sowie „Reserviert Angela „Mutti“ Merkel“. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kritisiert bei Twitter die Aktion scharf, Justizminister Heiko Maas schreibt: „Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten und Bedrohungen gehören nicht auf die Straße, sondern vor einen Richter.“ Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlung wegen des öffentlichen Aufrufes zu Straftaten, Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens augenommen.
12. Oktober 2015: Nachdem die Besucherzahlen zwischenzeitlich zurückgegangen waren, kommen eine Woche vor dem Jahrestag der ersten Demo wieder etwa 9000 Teilnehmer zu der Demonstration. Mindestens ein Teilnehmer der Demonstration hält einen selbst gebastelten Galgen hoch mit der Aufschrift „Reserviert Siegmar „das Pack“ Gabriel“ sowie „Reserviert Angela „Mutti“ Merkel“. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kritisiert bei Twitter die Aktion scharf, Justizminister Heiko Maas schreibt: „Volksverhetzung, Aufforderung zu Straftaten und Bedrohungen gehören nicht auf die Straße, sondern vor einen Richter.“ Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlung wegen des öffentlichen Aufrufes zu Straftaten, Androhung von Straftaten und Störung des öffentlichen Friedens augenommen. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
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