Offenbach. Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und kommunalen Arbeitgebern über mehr Gehalt für Erzieher scheitern. Schuld ist immer der andere.

Eigentlich stand die Einigung schon. Doch nun sind Streiks im Kita-Streit wahrscheinlicher geworden. Eine schlechte Nachricht: Vor allem für die Eltern, die schon bald möglicherweise wieder nach Notlösungen bei der Betreuung suchen müssen. Gewerkschaften und Arbeitgeber beendeten ihre Gespräche am Donnerstag ohne eine Annäherung und gaben sich gegenseitig die Schuld an der verfahrenen Situation. Allerdings hielten es „beide Seiten für sinnvoll, weiter im Gespräch zu bleiben“, sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske am Ende der knapp zweistündigen Verhandlung in Offenbach. Der Präsident der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA, Thomas Böhle, sagte, beide Seite wollten Anfang Oktober wieder zusammenkommen. Bsirske hatte mit Streiks in der ersten Oktoberhälfte gedroht.

Die Arbeitgeber vom VKA hatten kein verbessertes Angebot mit an den Verhandlungstisch gebracht, wie es die Gewerkschaften verlangt hatten. „Wir haben damit eine klare Weichenstellung auf der Arbeitgeberseite auf eine Eskalation des Konfliktes,“ sagte Bsirske. Die Gewerkschaften hätten nun keine andere Möglichkeit, als „sehr konkret“ die Fortsetzung der Streiks vorzubereiten. „Die VKA sieht sich nicht imstande, Verbesserungen möglich zu machen“, kritisierte er nach den Verhandlungen. Sind Streiks damit wahrscheinlicher geworden? „Ja, eindeutig“, antwortete er.

Beide Konfliktparteien hoben aber ihre Bereitschaft hervor, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. „Wir sind und bleiben gesprächsbereit“, betonte Böhle. Die nächsten Wochen hätten Gewerkschaften und Arbeitgeber nun die Chance, noch einmal in Ruhe nachzudenken.

„Wir sind an unsere Schmerzgrenze gegangen“, sagte der VKA-Präsident. Die Arbeitgeber stünden nach wie vor zu dem Ende Juni erzielten Schlichterspruch. „Wir bedauern, dass wir uns auf dieser Basis nicht verständigen konnten.“ In dem Schlichterspruch waren Einkommensverbesserungen zwischen zwei und 4,5 Prozent für die Beschäftigten im Erziehungs- und Sozialbereich vorgesehen. Gefordert waren rund zehn Prozent.

Damals hatten die Gewerkschaftsvertreter der Empfehlung zugestimmt, doch war das Ergebnis an ihrer Basis auf deutliche Ablehnung gestoßen. „Wir haben alle miteinander das Ergebnis für abschlussfähiger gehalten, als es dann in der Tat am Ende war“, räumte Bsirske ein. Er ist Verhandlungsführer der Arbeitnehmer, außerdem sitzen Vertreter der GEW und des Beamtenbundes dbb mit am Tisch. In beiden Arbeitnehmerorganisationen hatten Mitglieder die Schlichtung ebenso abgelehnt.

Der Druck auf die Verhandlungsparteien ist groß. Aus der Politik und von Eltern gab es Forderungen, den Konflikt ohne neuerlichen Arbeitskampf beizulegen. „Die Tarifparteien sollten den Sommer nutzen, um den Konflikt zu lösen, damit keine weiteren Streiks drohen“, sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) der „Bild“-Zeitung. Die Bundesvertretung von Eltern mit Kindern in Kitas (BEVKi) lehnte neuerliche Streiks in den Einrichtungen ebenfalls ab.

Die Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz und stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende, Julia Klöckner, rief zu einem Kompromiss auf. „Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen jetzt gemeinsam eine Lösung finden. Denn eine Fortsetzung der Tarifauseinandersetzung geht in erster Linie zu Lasten der Familien und der Kinder“, sagte sie.

Der frühere Vorsitzende der Gewerkschaft ÖTV, Herbert Mai, warf Ver.di eine falsche Strategie vor. „Eine Gewerkschaft darf ihren Mitgliedern nicht den Eindruck vermitteln, dass eine Forderung von zehn Prozent in einer Tarifrunde durchgesetzt werden kann“, sagte er dem „Handelsblatt“. Ver.di sah er in einer schwierigen Lage: „Wenn die Erwartungshaltung der Beschäftigten in die Höhe getrieben wird und es – wie in diesem Fall – auch noch breite öffentliche Unterstützung gibt, dann ist es am Ende schwer, da wieder runterzukommen.“

Wie Yasemin Taskesen von Ver.di Hamburg mitteilte, halte sich der Landesbezirk an die Planungen und Vorgaben des Bundesverbandes. Zunächst müsse nach den gestern gescheiterten Gesprächen das weitere Vorgehen beraten werden. Im Frühjahr hatten wochenlange Streiks die Hamburger Kitas lahmgelegt, nachdem sich eine große Mehrheit der bei den Kommunalen Arbeitgebern, darunter die Elbkinder, Beschäftigten mit großer Mehrheit für den Ausstand ausgesprochen hatte.

Viele Hamburger Eltern befürchten jetzt, dass sich derartige Szenarien Anfang Oktober wiederholen könnten. Gegenüber dem Abendblatt hatte die Geschäftsführerin der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten (Elbkinder), Franziska Larrá, vor kurzem gesagt, sie hoffe, dass nicht wieder unbefristet gestreikt werde. Dass Eltern deutlich stärker von einem guten Kita-Angebot profitieren als von mehr Kindergeld, zeigt eine Studie des Münchener Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo). Der Ausbau von neuen Kita-Plätzen schlage sich fünfmal so stark in der Geburtenrate nieder wie eine Anhebung des Kindergeldes, schreiben Wissenschaftler in einem noch unveröffentlichten Bericht, aus dem die Zeitung „Die Welt“ zitiert.