Nach zähen Debatten hat die Große Koalition nun die Mietpreisbremse beschlossen. Eigentümer fürchten, dass Investoren verschreckt werden

Berlin. Beschlossen, wieder aufgeschnürt, jetzt noch einmal beschlossen. Beim SPD-Wunschprojekt einer Mietpreisbremse hat die Große Koalition schon ein recht sonderbares Schauspiel aufgeführt. So ist am Ende des vierstündigen Spitzentreffens im Kanzleramt am Mittwochmorgen um 0.30 Uhr die wichtigste Nachricht: Die Mietendeckelung kommt – aber das Projekt ist so komplex, dass auch einige Koalitionäre den Überblick verlieren. Und es ist eher ein „Bremschen“, spottet die Opposition. Wann und wo das Gesetz greift, hängt nun von der Umsetzung in den Bundesländern ab. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum sollen die Mietpreise gesetzlich gebremst werden?

Gerade in Groß- und Universitätsstädten steigen seit Jahren die Mieten stark an – die Landflucht vieler junger Menschen lässt den Wohnraum knapp werden. Hohe Nachfrage trifft auf zu wenig Angebot. Im Wahlkampf 2013 erzählte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gern die Geschichte eines Studenten, der eine Einzimmerwohnung in Frankfurt findet, die bisher 400 Euro gekostet hat. Dann sagt der Vermieter, „nee, die Wohnung kostet jetzt 520 Euro“. 30 Prozent mehr. Und obwohl er das Zimmer im Internet fand, sollte er noch Maklercourtage zahlen.

Was ist Kern des Projekts?

Der Entwurf wurde schon im Oktober vom Kabinett verabschiedet, dann gingen einige in der Union auf die Barrikaden. Vor allem weil es seitens der Makler massiven Druck gab, ihr Geschäftsmodell nicht zu zerstören. Doch künftig gilt: Wer den Makler beauftragt, zahlt – daher könnten viele Vermieter die Mietersuche nun lieber selbst übernehmen. Bisher müssen meist die Mieter 2,38 Kaltmieten als Courtage bezahlen, was bei 800 Euro Miete für eine 80-Quadratmeter-Wohnung satte 1904 Euro ausmacht. Bei Neuvermietungen sollen künftig Mieten in gefragten Gegenden nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Aber: Wenn bisher zehn Euro erhoben werden pro Quadratmeter, müssen Mieten nicht gesenkt werden, auch wenn die Vergleichsmiete sechs Euro beträgt. Es gilt Bestandschutz.

Gilt das bundesweit?

Nein. Die Mietpreisbremse gilt nur in Gebieten, die von den Bundesländern zu „angespannten Wohnungsmärkten“ erklärt werden. Diese lägen dann vor, „wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen (...) zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“. Gradmesser dafür seien etwa ein Mietenanstieg und Mietbelastungen über dem bundesweiten Durchschnitt. Die Länder können davon bis Ende 2020 für jeweils höchstens fünf Jahre Gebrauch machen – also bis Ende 2025. Kein Land ist aber gezwungen, die Mietpreisbremse überhaupt zu installieren. Für den 5. oder 6. März ist der Bundestagsbeschluss geplant – dann könnte bis Ende März der Bundesrat zustimmen, sodass das Gesetz ab April oder Mai in Kraft treten könnte.

Was haben die Mieter davon?

Die Bundesregierung schätzt, dass Mieter durch Preisbremse und Bestellerprinzip für Makler jährlich gut 850 Millionen Euro sparen. Für Vermieter entstehen geschätzte Mindereinnahmen oder Mehrkosten von gut 520 Millionen Euro.

Was sagen die Makler?

Tausende Makler wollen sich gegen das geplante Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wehr setzen. „Sobald das Gesetz in Kraft tritt, werden wir eine Verfassungsbeschwerde einreichen“, sagte der Präsident des Immobilienverbands IVD, Jens-Ulrich Kießling. Wohnungssuchende würden damit künftig deutlich weniger freie Wohnungen angeboten bekommen, sagte Kießling. „Die Regelung bricht eindeutig mit dem Koalitionsvertrag und ist nicht verfassungsgemäß.“

Würgt das nicht den Neubau von Wohnraum ab?

Um das zu verhindern, sind Neubauten, die erstmals genutzt und vermietet werden, von der Bremse ausgenommen. Und erst hieß es nach dem Koalitionsgipfel, das gelte auch für Wohnungen nach umfassenden Sanierungen, etwa dem Einbau von Luxusbädern und neuen Küchen. SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht bot am Mittwoch drei Versionen zu diesem Punkt an. Der zuständige Justizminister Heiko Maas (SPD) stellte schließlich klar, die Ausnahme gelte – wie im Gesetzentwurf schon vereinbart – nur bei der ersten Vermietung nach der Sanierung. Danach muss der Vermieter auch nicht die Miete senken – hier gilt wieder Bestandschutz – aber er kann sie auch nicht weiter erhöhen, weil die Vergleichsmiete meist weit geringer ist. Eine umfassende Sanierung muss ein Drittel eines vergleichbaren Neubaus kosten, damit Vermieter diese Ausnahme nutzen dürfen.

Wie sind die Reaktionen?

Der Mieterbund vermisst harte Sanktionen für schwarze Schafe, die mehr als zehn Prozent auf die ortsübliche Miete draufsatteln. Die Grünen-Politikerin Renate Künast kritisiert die vielen Ausnahmen. „Trotzdem ist die Mietpreisbremse, so zerlöchert sie auch ist, eine Rettung für bezahlbaren Wohnraum.“ Der Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch verweist darauf, dass bei vielen Neubauten und umfassenden Sanierungen in einem Viertel automatisch die ortsübliche Vergleichsmiete stark steigen wird – und damit trotz Bremse auch die Mieten für normale Wohnungen bei Neuvermietungen. Der Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, Rolf Kornemann, warnt vor einem Abschrecken von Bauinvestoren. Das sei „ideenlose Klientelpolitik“.