Hamburg liegt bei der Armutsquote erstmals über dem Bundesdurchschnitt

Hamburg. Die wachsende Armut in Hamburg muss nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes „oberste Priorität in den Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen“ in der Hansestadt haben. Zudem forderte der Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege am Donnerstag in Hamburg eine unabhängige Enquetekommission, in der Experten zusammen mit den Parteien Strategien der Armutsbekämpfung entwickeln.

Hintergrund sind Daten aus dem zeitgleich in Berlin vorgestellten Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands, wonach die Armutsquote in der Hansestadt mit 16,9 Prozent im Jahr 2013 erstmals über dem Bundesdurchschnitt von 15,5 Prozent lag. Die Steigerung gegenüber dem Vorjahr betrug 2,1 Prozentpunkte, der höchste Wert in ganz Deutschland. Noch in den Jahren 2000 bis 2010 war das Armutsrisiko in Hamburg entgegen dem bundesweiten Trend von 14 auf 13 Prozent gesunken. Gemäß der Definition der Europäischen Union (EU) gelten Menschen als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen.

„Der Armutsbericht zeigt, dass die Spaltung zwischen Arm und Reich in Hamburg weiter zunimmt“, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg, Joachim Speicher. Trotz sinkender Arbeitslosigkeit liege die Quote auf einem Höchststand. Das sei ein deutlicher Beleg, dass zwar viele Menschen Arbeit hätten, aufgrund von Niedriglöhnen und prekären Beschäftigungsverhältnissen aber immer weniger davon auch leben könnten. „In einer der reichsten Städte Europas dürfen wir nicht tatenlos dabei zusehen, wie die Kluft weiter wächst“, so Speicher. Die neue Hamburger Regierung werde auch daran gemessen werden, ob sie die Armut wieder verringern könne. In Hamburg haben Erwerbslose, Alleinerziehende, Migranten und Familien mit mehr als drei Kindern den Angaben zufolge das höchste Armutsrisiko. Die Quote der Rentner sei zwar vergleichsweise gering, habe sich aber seit 2006 auf 12,9 Prozent verdoppelt.

Laut Bundesbericht stieg in ganz Deutschland die Armutsquote 2013 um 0,5 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent an. Demnach gelten in der Bundesrepublik über 12,5 Millionen Menschen als arm. Lediglich in Sachsen-Anhalt und Brandenburg gehe die Armut zurück. Nach Hamburg wiesen Bremen und das Saarland die höchsten Steigerungen auf. Die geringste Armutsquote gibt es nach den Angaben in Bayern (11,3 Prozent) und Baden-Württemberg (11,4 Prozent), die höchste in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mit deutlich über 20 Prozent.

In Deutschland habe es seit der Wiedervereinigung noch nie so viele Arme gegeben wie heute. Dabei nehme der Abstand zwischen Arm und Reich hinsichtlich der Regionen und der Einkommensgruppen immer weiter zu, sagte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Ulrich Schneider.