Israels Regierungschef hatte die Juden in Europa erneut zur Auswanderung aufgefordert

Berlin/Paris. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Juden in Deutschland Schutz zugesagt. „Wir werden seitens der Bundesregierung, aber auch seitens der Landesregierungen und aller Verantwortlichen in Deutschland alles dafür tun, dass die Sicherheit jüdischer Einrichtungen, die Sicherheit der Bürgerinnern und Bürger, die jüdischer Herkunft sind, gewährleistet wird“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Sie reagierte damit auf eine Ausreise-Aufforderung an Juden in Europa durch den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. „Wir möchten gerne mit den Juden, die heute in Deutschland sind, weiter gut zusammenleben“, sagte die Kanzlerin. „Wir sind froh und auch dankbar, dass es wieder jüdisches Leben in Deutschland gibt.“

Netanjahu hatte die Juden in Europa nach einem Anschlag auf eine Synagoge in Kopenhagen erneut zur Auswanderung in den jüdischen Staat aufgefordert: „Juden wurden auf europäischem Boden ermordet, nur weil sie Juden waren“, sagte er. Bei Anschlägen auf einen schwedischen Mohammed-Karikaturisten und eine Synagoge in Kopenhagen waren am Wochenende drei Menschen getötet worden. Vor einigen Wochen hatte es mehrere Tote bei einem Anschlag auf einen koscheren Lebensmittelladen in Paris gegeben. Schon damals hatte Netanjahu den französischen Juden die Auswanderung nach Israel nahegelegt.

Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls appellierte an die Juden, in Frankreich zu bleiben. „Meine Botschaft an die französischen Juden lautet: Frankreich ist genauso verletzt wie Ihr es seid, und Frankreich wünscht nicht, dass Ihr das Land verlasst.“ Frankreich hat in Westeuropa die größte jüdische Gemeinde, die immer wieder Anfeindungen und Übergriffen ausgesetzt ist. Erst am Sonntag hatten Unbekannte im elsässischen Sarre-Union über 200 Gräber auf einem jüdischen Friedhof geschändet.

Israels Gaza-Krieg im Sommer 2014 hat vor allem Muslime empört

Die Flut von Attacken auf Juden hat sich in Frankreich 2014 mehr als verdoppelt. Besonders dramatisch zugenommen haben dabei gewalttätige Übergriffe. Israels Gaza-Krieg im Sommer 2014 hatte vor allem Muslime empört. Die Bilder von Tod und Verderben der Palästinenser gelten als eine Triebkraft für antisemitische Attacken: Bei pro-palästinensischen Kundgebungen waren Synagogen das Ziel von Gewalt. Mit mehr als 6000 emigrierten Juden lag Frankreich 2014 erstmals an der Spitze der Länder, aus denen nach Israel ausgewandert wird.

„Die jüdischen Gemeinden (in Europa) stehen vor einem existenziellen Dilemma“, schrieb ein Kommentator der israelischen Zeitung „Haaretz“. „Kann man in einer Realität der ständigen Bedrohung weiter ein offenes und freies jüdisches Leben führen?“ Ja, sagte dazu der Zentralrat der Juden in Deutschland. Allerdings sollten die Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz jüdischer Einrichtungen kritisch überprüft werden, forderte Zentralratspräsident Josef Schuster: „Unter dieser Voraussetzung ist jüdisches Leben auch in Deutschland weiterhin möglich.“

Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sieht in einer Auswanderung keine angemessene Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Kopenhagen: „Ein Exodus der europäischen Juden nach Israel ist keine Lösung der massiven Gefährdung durch islamistischen Terror.“ Denn der islamistische Terror bedrohe die europäischen Demokratien als Ganzes. „Wer in Europa Juden angreift, greift die gesamte europäische Gesellschaft und ihre freiheitlichen Werte an“, sagte Knobloch. Die antisemitische Gewalt müsse in Europa entschlossen mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Aus ihrer Erfahrung heraus sei sie der Ansicht, dass Israel eine weltweit starke und schlagkräftige Diaspora brauche.