... Männer lieber weniger. Das ist zusammengefasst das Ergebnis mehrerer Studien. Mit Kita-Plätzen, Geldkonten und gerechten Löhnen sollen Wünsche real werden. Geht das?

Hamburg/Berlin. Es gibt die Wünsche der Menschen. Und es gibt die Realität. Es ist auch Aufgabe der Politik, Wünsche möglich zu machen – die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, indem die Gesetze schaffen, mithilfe derer Männer und Frauen ihre Lebensmodelle realisieren können. Vor allem eine Frage steht derzeit im Fokus: Wie sind Arbeit und Familie zu vereinbaren? Die Statistiken geben den Regierenden zumindest ein Gefühl dafür, dass Realität und Wunsch in Deutschland in dieser Frage auseinanderklaffen.

Männer möchten gerne weniger arbeiten, Frauen dagegen lieber mehr. Das ist zusammengefasst das Ergebnis mehrerer Studien. Könnten sie es sich aussuchen, würden 60 Prozent aller berufstätigen Väter gerne weniger arbeiten. Bei den Müttern sind es nur 41 Prozent. Dagegen möchten 20 Prozent der erwerbstätigen Frauen ihre Wochenstundenzahl erhöhen. Bei den Männern sind es nur fünf Prozent der Befragten.

Doch obwohl Industrie und Unternehmen in einzelnen Branchen über Fachkräftemangel klagen, ist ein beachtlicher Anteil der höher qualifizierten Mütter in Teilzeitarbeit oder nur stundenweise beschäftigt, hält der Familienmonitor 2010 des Allensbach-Instituts fest. Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg weisen auf eine „Arbeitszeitlücke“ zwischen Männern und Frauen hin. Frauen sind überdurchschnittlich häufig teilzeitbeschäftigt – jede zweite Erwerbstätige arbeitetet weniger als die volle Stundenzahl. Eine große Anzahl dieser Frauen würde laut IAB gerne durchschnittlich 2,5 Stunden in der Woche mehr arbeiten. Bei den teilzeitbeschäftigten Männern ist dieser Wunsch sogar noch stärker. Sie wollen fast fünf Stunden mehr arbeiten. Nur ist die Zahl der männlichen Teilzeitstellen deutlich geringer, und damit auch ihr Einfluss auf die Wirtschaft.

Teilzeit bedeutet oft nur einen B-Klasse-Job – schlechtere Bezahlung und weniger Karrierechancen. Warum aber lassen sich die Wünsche mit der Realität nicht ausreichend vereinbaren? Die Ursachen sind komplex: Da geht es um immer noch bestehende Rollenbilder von Frauen, die erziehen sollen, und Männern, die Familien zu versorgen haben. Über Jahrhunderte sind diese tradierten Familienvorstellungen gewachsen, sie lassen sich nur langsam aufbrechen. Langsamer, als es offenbar viele wünschen.

In höheren Positionen arbeiten überwiegend Männer


Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit: Angebote für Kinderbetreuung bessern Bund und Länder erst jetzt deutlich auf. Noch immer arbeiten weniger Frauen in höheren Positionen, noch immer verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. All das sind Gründe dafür, dass Männer mehr arbeiten und Frauen weniger, als sie es sich wünschen. „In vielen Familien mit Kindern ist es eine ganz rationale Entscheidung: Wer mehr verdient, geht arbeiten“, sagt die Grünen-Vizefraktionschefin und Familienexpertin Katja Dörner dem Abendblatt. „Gute Familienpolitik muss auch eine Politik für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern sein.“

Was tut die Regierung? Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagt dem Abendblatt, Deutschland müsse zu flexibleren Arbeitszeitmodellen kommen. „Und dabei sind vor allem die Sozialpartner gefragt. Denn wenn wir die Arbeit ausgewogener verteilen und die Frauen stärker einbinden, dann nutzen wir das riesige Fachkräftepotenzial besser, das im Moment noch schlummert.“ Ihr Ministerium fordert Arbeitgeber wie Arbeitnehmer dazu auf, etwa die Arbeit von zu Hause zu stärken und Langzeitkonten besser zu nutzen. Da sei in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen noch viel Platz, wenn es darum gehe, den Menschen gerade in der ‚Rushhour des Lebens‘ mehr Raum zu geben, sagt Nahles.

Diese Konten funktionieren so: Arbeitnehmer verzichten zunächst auf die Auszahlung von Teilen ihrer geleisteten Arbeitszeit, ihrer Überstunden oder auch auf Urlaubstage oder Prämien. Die geleistete Mehrarbeit fließt auf ein Geldkonto. Wer für ein Sabbatjahr oder für die Kindererziehung weniger arbeiten will, zehrt dann von diesem Guthaben.

„Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen“


Auch im Familienministerium wird an der Realisierung der Arbeitszeitwünsche geschraubt. „Es gibt viele Frauen, die lieber wieder früher in den Job – in Teilzeit – einsteigen wollen. Und es gibt viele Väter, die nicht nur zum Gutenacht-Kuss nach Hause eilen, sondern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten“, sagt Bundesministerin Manuela Schwesig (SPD) dem Abendblatt. Mit dem von Union und SPD eingeführten „Elterngeld Plus“ gilt: Wer Teilzeit in der Elternzeit arbeitet, bekommt doppelt so lange Elterngeld. Wer sich gemeinsam um das Kind kümmert, wird länger gefördert.

Zudem will die Regierung ein Rückkehrrecht in Vollzeitstellen möglich machen. Wer Arbeitszeit reduziert, hat bisher kein Recht darauf, später wieder auf Vollzeit aufzustocken. Bisher gibt es nur das Recht, Arbeitszeit zu reduzieren. Im Arbeitsministerium heißt es, man werde noch in diesem Jahr eine Lösung mit Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finden, um eine Rückkehr in Vollzeit zu ermöglichen.

Aus Sicht der Opposition hätte das längst passieren müssen. „Hier tut die Regierung zu wenig“, sagt Katja Dörner von den Grünen. Das Rückkehrrecht sei „ein wirksames Mittel gegen die Teilzeitfalle, in der viele Mütter auf Dauer stecken bleiben“. Und auch Väter würden motiviert, etwa für Kindererziehungszeiten in Teilzeit zu arbeiten, wenn sie die Gewissheit haben, auf Vollzeit zurückkehren zu können.

Wünsche der Menschen sind immer individuell, Biografien ganz verschieden. Nicht immer verlaufen sie geradlinig. Das zeigt eine andere Statistik: Männer, die Vollzeit arbeiten, wollen im Durchschnitt 0,4 Stunden in der Woche weniger arbeiten. Vollzeitbeschäftigte Frauen dagegen zwei Stunden mehr in der Woche. Nicht weniger.