Saudis und Russen sind die größten Verkehrsrowdys unter den Botschaftsmitarbeitern

Berlin. Ausgerechnet Diplomaten halten die Berliner Polizei in Atem, vor allem Botschaftsmitarbeiter Saudi-Arabiens fahren – ganz undiplomatisch – gerne zu schnell oder parken dort, wo es verboten ist. Das auffällige Verkehrsverhalten ist schon seit Jahren zu beobachten. Der Golfstaat führt die Länderstatistik stets an. Wenn man die Ordnungswidrigkeiten der Diplomaten aus allen Ländern in Berlin zusammenzählt, kommt man auf 23.403 Delikte im Jahr 2014. Weil die Verkehrssünder mit Diplomatenpass aber Immunität genießen, können sie rechtlich nicht verfolgt werden und bleiben unbestraft.

Russland liegt bei den Verkehrsdelikten hinter Saudi-Arabien auf dem zweiten Platz. Beide Staaten gehören zugleich zu den Staaten, die die meisten Fahrzeuge mit einem diplomatischen Sonderkennzeichen registriert haben. Dass es auch anders geht, zeigen die Fahrer der Vereinigten Arabischen Emirate. Obwohl das Land in Berlin eine der größten Fahrzeugflotten hat, ist es nicht unter den zehn Staaten mit den meisten Verkehrssündern.

Die Polizei kann sich über das Problem zwar ärgern – lösen kann sie es nicht. Die Polizeigewerkschaften appellieren nun an die Diplomaten, sich an die Verkehrsordnung zu halten. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagt: „Immunität heißt nicht, dass Diplomaten machen können, was sie wollen. Wir bitten also auch Diplomaten, die Immunität genießen, sich an das deutsche Verkehrsrecht zu halten.“ Die Gesetze richten sich an alle Menschen, betont Malchow. Und: „Es ist sicher auch im Interesse eines Staates, Unfälle seiner diplomatischen Mitarbeiter, bei denen es Verletzte gab, vernünftig zu regeln.“

Die Berliner Senatsverwaltung hat für das vergangene Jahr bis auf den Euro berechnet, wie viel Geldbußen die Diplomaten eigentlich zahlen müssten: 403.275 Euro. Doch da die Diplomaten die Bußgelder ignorieren können, fehlt dieses Geld in der Landeskasse. Die Polizei arbeitet durch die Sonderregeln für Diplomaten ohne Ergebnis und hat weniger Zeit für andere Ermittlungen. Fleißige Beamte können sich darüber nur ärgern.

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund (DPolG), Rainer Wendt, findet es als Polizist „sehr unbefriedigend, Ermittlungen einfach einstellen zu müssen, wenn ein Tatverdächtiger ein Diplomat ist“. Aber die Polizei akzeptiere selbstverständlich „die internationalen Spielregeln der Staaten für Diplomaten und ihre Immunität“. Die Immunität gelte ja auch für deutsche Diplomaten im Ausland, sagt Wendt. Er appelliert an die ausländischen Diplomaten, „sich an die Verkehrsregeln zu halten, weil die deutschen Gesetze Leben retten sollen“.

Nicht nur Berlin ist von den Verstößen der Botschaftsmitarbeiter betroffen. Gewerkschaftschef Rainer Wendt sagt: „Auch in anderen Städten wie Hamburg oder München verstoßen Diplomaten gegen die Verkehrsordnung und verursachen Unfälle. Das Auswärtige Amt sollte diese und die Berliner Fälle mit den betroffenen Auslandsvertretungen besprechen.“ Das Auswärtige Amt teilt mit, es weise alle fremden Missionen regelmäßig auf die Pflicht der Diplomaten hin, deutsche Gesetze zu beachten.

Sogar in Stuttgart, wo nur sehr wenige Diplomaten arbeiten, wurden im vergangenen Jahr rund 60 Verkehrsverstöße von Personen mit Diplomatenstatus angezeigt. Berücksichtigt man, dass in Stuttgart zurzeit lediglich elf Autos als Diplomatenfahrzeuge zugelassen sind, kommen auf ein Fahrzeug mehr als fünf Delikte. Unfälle waren darunter allerdings nicht. Stuttgart ist Hamburg deutlich voraus – denn dort wird nach Angaben des Senats nicht erfasst, wie viele Verkehrsdelikte Diplomaten begehen oder wie häufig Diplomaten in Unfälle verwickelt sind. In einem Video auf der Plattform YouTube wird ein libyscher Fahrer vor seiner Botschaft gefragt, wieso auch sein Land so viele Verstöße hat. Ob er sich das erklären könne? Der Fahrer hat darauf eine einfache Antwort: „Mein Gott. Manchmal hat man es eilig“, sagt er.

Auch für andere Straftaten können ausländische Diplomaten nicht verurteilt werden. Vor wenigen Jahren wollte eine indonesische Hausangestellte einen saudi-arabischen Diplomaten verklagen, weil er sie mehr als ein Jahr lang unter sklavenartigen Bedingungen beschäftigt habe. Sie sei geschlagen und gedemütigt worden und habe ihr vereinbartes Gehalt nicht erhalten, beklagte die Frau. Der Mann bestritt die Vorwürfe. Wegen der diplomatischen Immunität konnten die Berliner Gerichte im Jahr 2011 nicht einmal über den Fall verhandeln. Am Ende hatte die Klägerin Glück: Der Mann reiste aus Deutschland aus und verlor dadurch seine Immunität. Daraufhin einigte sich der Diplomat mit der Hausangestellten im März 2013 vor dem Berliner Landesarbeitsgericht, 35.000 Euro Lohn und Schmerzensgeld zu zahlen.