Die Anbindung der Querung kommt später und wird teurer. Grüne raten zum Ausstieg

Berlin. Was tun, wenn der Bau eines Hauses wegen Planungsänderungen teurer wird? Man sollte als Erstes in den Vertrag gucken. Dies raten jetzt bei einem Verkehrsprojekt die Grünen der Bundesregierung: Sie soll in den Vertrag sehen, den Deutschland und Dänemark 2008 über den Bau der Fehmarnbelt-Querung schlossen. Besonders genau, so verlangt ein Bundestagsantrag der Grünen, solle die Regierung auf Artikel 22 achten. In dem heißt es: „Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen.“

Dieser Fall ist nach Ansicht der Grünen eingetreten. Daher fordern sie, über das Milliardenprojekt „Verhandlungen mit dem Königreich Dänemark aufzunehmen“. Wenn sich dabei „keine neuen Erkenntnisse bezüglich des Nutzens der Querung und der mit ihrer Realisierung verbundenen Risiken ergeben“ würden, dann solle die Bundesrepublik versuchen, „aus diesem sowohl ökologisch als auch ökonomisch aus heutiger Sicht fragwürdigen Projekt auszusteigen“.

Auch wer diese Bewertungen nicht teilt, muss feststellen, dass sich tatsächlich viel geändert hat an dem Plan, bis 2018 zwischen Rødby auf der dänischen Insel Lolland und Puttgarden auf der deutschen Insel Fehmarn eine Auto- und Eisenbahnverbindung zu bauen, die über Fehmarn sowie den schmalen Fehmarnsund nach Lübeck führen soll. Die Änderungen für Deutschland, das nur diese Hinterlandanbindung bezahlen soll, beschrieb jüngst Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, in einem Brief an den Verkehrs- und den Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags. Demnach wird die Eisenbahnanbindung auf deutscher Seite nicht wie zunächst angenommen maximal 900 Millionen Euro kosten, sondern mindestens 1,5 Milliarden. Fertig wird sie frühestens 2024. Wobei noch dies laut Ferlemann „ein ehrgeiziger Zeitplan mit hohem Anspannungsgrad“ ist.

Grund dafür ist, dass der Schienenweg komplett umgeplant werden musste. Ursprünglich sollte auf deutscher Seite die eingleisige Strecke nach Puttgarden beibehalten und lediglich elektrifiziert werden. Dieses Sparmodell wählten die Deutschen, weil sie bezweifelten, dass das Zugaufkommen den zweigleisigen Ausbau rechtfertige. Erst wenn die Querung massenweise Züge anlocken sollte, werde man die Strecke innerhalb von sieben Jahren nach Eröffnung der Querung zweigleisig ausbauen. Doch dann begann in der Region die Bürgerbeteiligung, und da zeigte sich rasch, dass es gegenüber den Anwohnern in der Feriengegend nicht durchsetzbar war, den erwarteten Güterzugverkehr auf der Bestandsstrecke durch die Urlaubsorte zu führen. Darum wurde nach einem Raumordnungsverfahren im Mai 2014 entschieden, die Strecke auf einer anderen Trasse neu zu planen, zweigleisig, elektrifiziert, vielleicht schneller.

Der Bund jedenfalls lässt die Bahn nun „prüfen“, ob die Strecke statt für 160 für 200 Stundenkilometer ausgelegt werden kann. Dann müssten alle kreuzenden Straßen über Brücken oder durch Tunnel geführt werden. Das kostet – und dauert. Schon bei der Planung: Laut Ferlemann hat die DB noch nicht einmal die Vorplanungen für die Eisenbahnstrecke abschließen können. Hinzu kommt das Nadelöhr Fehmarnsund zwischen dem deutschen Festland und Fehmarn. Auch da muss neu gebaut werden. Was, ist unklar – ob zwei neue Brücken für Autos und Züge, ob eine für beide oder ein Tunnel. Je nach Variante liegen die Kosten zwischen 250 und 600 Millionen Euro. Bis Ende März soll eine Entscheidung über die weiteren Planungen getroffen werden.

Weiter geht’s über Fehmarn an die Ostsee. Da wollen die Dänen anders als zunächst geplant nicht eine Brücke bis 2018, sondern einen 17,6 Kilometer langen Tunnel bis 2022 bauen. Hierfür muss in Dänemark, wo die gesamten Tunnelkosten von rund fünf Milliarden Euro bezahlt und durch staatlich abgesicherte Kredite finanziert werden, das Parlament im Frühjahr das Baugesetz verabschieden. Doch vor der Abstimmung müssen die Folketing-Abgeordneten bedenken, wie es auf deutscher Seite aussieht. Nämlich schwierig. Denn wenn in Deutschland bis mindestens 2024 nur eingleisig und unelektrifiziert gefahren wird, könnten auch nach der Tunnelfertigstellung 2022 die Güterzüge wegen der Tempoverluste wegbleiben und wie bisher über die Jütland-Route fahren. Das hieße, dass die Tunnelbetreiber zunächst weniger Maut-Einnahmen und Eisenbahngebühren einnähmen.

Die Kosten-Nutzen-Rechnung wird zudem durch ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung infrage gestellt: Möglicherweise wird die Querung von weniger Autofahrern und Bahnreisenden genutzt als gedacht. Zumal deshalb, weil dem privaten Betreiber des Fährbetriebs zwischen Rødby und Puttgarden, der Scandlines A/S, niemand das Fahren verbieten könnte. Würde aber Scandlines weiter fahren und die Preise leicht senken, dann wäre die Fähre für die Reisenden finanziell attraktiver als die Nutzung der Belt-Querung.

Angesichts dessen wächst auch in der SPD die Neigung, über die Vereinbarung mit Dänemark neu nachzudenken. Zwar müsse „ein Staatsvertrag respektiert werden“, sagte die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Bettina Hagedorn. „Aber wenn binnen fünf Jahren absolut alle Rahmenbedingungen aufseiten beider Partner verändert werden, dann ist es nicht Schande, sondern Pflicht, die Vereinbarungen an die Realität anzupassen.“