Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erntet scharfe Kritik für seine Äußerungen zum Kirchenasyl. „Die Worte des Ministers belasten in ungewöhnlicher und überflüssiger Weise das gute Verhältnis zwischen Kirche und Staat“, sagte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister am Wochenende. De Maizière hatte den Kirchen vorgeworfen, sich über bestehende Gesetze hinwegzusetzen. Bundestagsvizespräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte, offenbar wolle der Minister sich bei den Anhängern der Alternative für Deutschland (AfD) und der antiislamischen Pegida-Bewegung anbiedern.

De Maizière hatte sich laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ „prinzipiell und fundamental“ gegen die aktuelle Praxis der Kirchen gewandt. Er habe als Christ zwar Verständnis, dass die Kirchen „in Einzelfällen“ unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnehmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über bestehende Gesetze hinwegsetzen. Der Minister äußerte sich dem „Spiegel“ zufolge bei einem Treffen der CDU-Spitze mit führenden katholischen Bischöfen am Dienstag in Berlin. Dabei bezeichnete der Migrationsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Norbert Trelle, das Kirchenasyl als „Ultima Ratio“ (letzte Möglichkeit).

Meister, Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, betonte, dass das Kirchenasyl ein offensichtlich notwendiger Schutzraum für Menschenrechte sei: „Es wird nur gewährt, wenn jemand trotz aller staatlichen Gesetze und Hilfen von Abschiebung, menschenunwürdigen Umständen oder Lebensgefahr bedroht ist.“ Es wende sich nicht gegen den Rechtsstaat, sondern erinnere diesen an das grundgesetzlich verankerte Recht auf Menschenwürde, Freiheit und körperliche Unversehrtheit. In den meisten Fällen könne den Menschen in einem Kirchenasyl durch eine erneute Überprüfung ihres Schutzbegehrens geholfen werden, sagte Meister. Das zeige seine Notwendigkeit, auch wenn es gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt.

Das Kirchenasyl ist eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht zumeist auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Im Kirchenasyl befinden sich zumeist Menschen, die über ein anderes EU-Land nach Deutschland eingereist sind. Sie dürfen nur im Herkunftsland, nicht aber in der Bundesrepublik Asyl beantragen. Nach Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche sind gegenwärtig 200 Fälle von Kirchenasyl mit mindestens 359 Menschen, darunter 109 Kinder. 2013 gab es bundesweit erst 79 Fälle.