Unionspolitiker fordern: Regierung soll mehr investieren, statt Betriebe mit Bürokratie zu belasten

Berlin. So hatten sich die Wirtschaftspolitiker der Union den Start ins zweite Jahr der Großen Koalition nicht vorgestellt. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer ist auf der Zinne, weil der Mindestlohn und eine neue Arbeitsstättenverordnung neue bürokratische Vorschriften für die Betriebe bringen. Für Kramer ist Deutschland dabei, im Namen eines besseren Arbeitnehmerschutzes zum „Absurdistan“ zu werden. Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch im Dezember auf dem CDU-Parteitag in Köln angekündigt, nach den sozialen Wohltaten zu Beginn der Legislaturperiode nun die Wirtschaftspolitik in den Vordergrund zu rücken.

Beim Wirtschaftsflügel der Union teilt man die Kritik der Arbeitgeber. „Die bürokratischen Vorschriften zum Mindestlohn und die neue Arbeitsstättenverordnung aus dem Bundesarbeitsministerium haben viel Vertrauen im Mittelstand zerstört“, sagte der Vorsitzende der Wirtschafts- und Mittelstandsvereinigung der Union (MIT), Carsten Linnemann. Es sei deshalb „gut, dass sich Unionsfraktionschef Volker Kauder an die Spitze der Bewegung gestellt hat, die diesen Irrsinn wieder zurückdrängen will.“ Dem MIT-Chef bereiten weitere Vorhaben von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Sorgen. Denn die Ministerin will die Regeln für Werkverträge und Zeitarbeit verschärfen, wie dies die Gewerkschaften seit Langem fordern.

Die hiesigen Unternehmen profitieren derzeit von einem schwachen Euro und dem niedrigen Ölpreis. Denn beide Effekte machen deutsche Güter im internationalen Wettbewerb günstiger. Doch warnen Ökonomen vor Selbstzufriedenheit. Denn nicht nur wegen der raschen Alterung der Bevölkerung ist das Wachstum langfristig keineswegs ein Selbstläufer.

Der Wirtschaftsflügel der Union fordert eine neue Reformagenda von der Bundesregierung. „Die Wirtschaftspolitik muss jetzt endlich gegenüber der Sozialpolitik in den Vordergrund gerückt werden“, mahnt der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. 2015 sei für die Große Koalition das entscheidende Jahr. Weil im kommenden Jahr acht Landtagswahlen anstünden und erfahrungsgemäß in Wahlkampfzeiten das Klima für Reformen schlecht sei, bleibe der Koalition nicht mehr viel Zeit, um wirtschaftspolitische Maßnahmen in Angriff zu nehmen.

Ganz oben auf der Wunschliste der Wirtschaftsvereinigung steht die Energiepolitik. „Gabriel muss umgehend ein Konzept vorlegen, denn die Unternehmen brauchen Planungssicherheit.“ Die Zustimmung der Verbraucher und Unternehmen für die Energiewende sei wegen der offensichtlichen Fehlentwicklungen schon dramatisch gesunken, kritisiert Steiger. Überdies gehören nach Ansicht des Wirtschaftsrats die Klimaziele auf den Prüfstand. Deutschland könne unmöglich gleichzeitig aus der Atomenergie und der Kohle aussteigen. Dringend nötig sei zudem eine Investitionsoffensive. 35 Milliarden Euro müssten für Bau und Sanierung von Straßen und Brücken, aber vor allem auch für den raschen Ausbau der digitalen Infrastruktur aufgewendet werden.

Den Betrieben bereitet zudem der Fachkräftemangel zunehmend Probleme. 400.000 qualifizierte Mitarbeiter fehlen derzeit. Bis 2020 droht diese Lücke auf über sechs Millionen anzuwachsen. „Die von CDU-Generalsekretär Peter Tauber angestoßene Debatte über ein Zuwanderungsgesetz darf nicht im Keim erstickt werden“, sagt MIT-Chef Linnemann „Der Fachkräftemangel wird künftig besonders für die Familienunternehmer zum Problem.“