Nach dem Austritt von Kathrin Oertel distanziert sich Partei-Vize Alexander Gauland von der islamkritischen Bewegung

Berlin . Für Pegida dürfte es das Ende sein, für die AfD immerhin ein strategisches Dilemma. Denn den „natürlichen Verbündeten“ der Partei, wie Parteivize Alexander Gauland die Pegida-Bewegung einst nannte, steht vor der Spaltung. Nach heftigen internen Zerwürfnissen über Inhalte und Ausrichtung waren Sprecherin Kathrin Oertel, René Jahn, AfD-Mitglied Achim Exner, Bernd-Volker Lincke und Thomas Tallacker von ihren Vorstandsposten zurückgetreten. Sie planen nun einen Neuanfang ohne Bachmann und den Rest der Truppe. Es soll künftig stärker um Themen wie innere Sicherheit und direkte Demokratie gehen, sagte Lincke. Auch ein Name für die neue Gruppierung ist bereits im Gespräch: „Bewegung für direkte Demokratie in Europa“.

Noch zu Beginn des Monats blickten Pegida und AfD hoffnungsfroh in die Zukunft. In Dresden waren AfD-Ko-Sprecherin Frauke Petry und die Pegida-Spitze zu einem lange verabredeten Gespräch zusammengekommen und hatten dabei „Schnittmengen“ festgestellt. Es sei ein konstruktives Gespräch in guter Atmosphäre gewesen, hieß es in der AfD hinterher. Vor allem Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel kam damals bei der AfD gut an. Bachmann hingegen sei durch seinen Geltungsdrang unangenehm aufgefallen, hieß es.

Oertel hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. Es gibt auch nicht viel, was sie und Bachmann verbindet. Beide besuchten die Leonhard-Frank-Oberschule in Coswig bei Meißen. Doch danach trennten sich ihre Wege. Während der fünf Jahre ältere Bachmann nach der zehnten Klasse auf eine staatliche Oberschule in Dresden wechselte, ging Oertel auf ein Coswiger Wirtschaftsgymnasium. Bachmann glitt in die Kriminalität ab, wurde für Straftaten im Rotlichtmilieu verurteilt. Oertel führte ein bürgerliches Leben, wurde freiberufliche Wirtschaftsberaterin und Immobiliensachverständige. Sie ist Mutter von drei Kindern.

„Ich schätze Frau Oertel sehr“, sagte AfD-Vize Gauland auch am Donnerstag noch. Wie sehr er sie schätzt und wie wichtig sie als Verbindungsglied für die AfD zu Pegida war, machte er dann im Nachsatz deutlich: „Mit ihrem Austritt ist für mich das Thema Pegida erledigt.“ Und die AfD ist damit um einen potenziellen strategischen Verbündeten im politischen „Vorfeld“ ärmer. Immerhin hatte Pegida über 20.000 Menschen auf die Straße gebracht, die im weitesten Sinne mit den Verhältnissen hadern. Andere wiederum hadern mindestens ebenso stark mit der AfD und Pegida. So wollen am Wochenende während des AfD-Bundesparteitags in Bremen Linke und Gewerkschafter gegen die AfD und Pegida demonstrieren. Und auch auf dem Parteitag selbst dürfte Pegida zum Thema werden, auch wenn es nicht auf der Tagesordnung steht. Denn die aktuellen Entwicklungen dürften viele Mitglieder ebenso berühren wie Alexander Gauland: „Die Leute, die jetzt an Bachmann festhalten, verlassen die Menschen auf der Straße“, schimpft er, der sich wegen seines Eintretens für Pegida in der AfD-Spitze zum Teil heftige Vorwürfe anhören musste. „Sie begehen Verrat an 20.000 Demonstranten.“

Für solche klaren Worte ist er bekannt, sie sind ein Grund für Gaulands Popularität in der Mitgliederschaft. An der Parteispitze werden sie indes gar nicht gern gehört. Parteisprecher Bernd Lucke und Parteivize Hans-Olaf Henkel waren von Beginn an gegen eine Annäherung an die Demonstrationsbewegung. Sie dürften sich durch das Zerwürfnis in der Pegida-Führung und den sich abzeichnenden Zerfall der Bewegung bestätigt sehen.

Im Zentrum des bereits am heutigen Freitag beginnenden AfD-Parteitages steht die Debatte über eine neue Satzung. Darüber dürfte es heftige Auseinandersetzungen geben, zumal mit der Satzung die Führungsstruktur verändert und ein Konvent geschaffen werden sollen. Außerdem sieht sie die einst von den Grünen praktizierte Trennung von Amt und Mandat vor. Weil sich weitaus mehr Mitglieder als erwartet angemeldet haben, muss der Parteitag zudem an zwei Standorten stattfinden. Auch das birgt Konfliktpotenzial. Und bereits jetzt warnen Parteienforscher: Sollten nicht beide Säle gleichberechtigt und eine wechselseitige Öffentlichkeit – etwa über eine Video-Schaltung – gewährleistet sein, könnte das ein Grund für eine Anfechtung der Beschlüsse sein.

Vermutlich dürfte es schon gleich zu Beginn hoch hergehen, wenn über die Tagesordnung abgestimmt wird. Denn einigen Mitgliedern gefällt es gar nicht, dass Lucke als einziges Mitglied des Bundesvorstandes eine persönliche „nicht-öffentliche Erklärung“ abgeben will. Inhaltlich geht es um sein Ziel, langfristig einen einzigen Vorsitzenden zu installieren. Zunächst aber soll die Dreierspitze aus Lucke, Petry und Konrad Adam durch eine Doppelspitze ersetzt werden. Darauf hatte sich der Vorstand nach langem Streit verständigt.

Nicht nur Pegida, auch der Hamburger Landtagswahlkampf wirft seinen Schatten auf den Parteitag. Denn in Hamburg will die AfD am 15. Februar erstmals in ein westdeutsches Landesparlament einziehen. Schlecht stehen die Chancen nicht. Nach einer Umfrage von Infratest dimap käme die Partei auf sechs Prozent. Das wäre allerdings bedeutend weniger als in Brandenburg (12,2 Prozent), Sachsen (9,7 Prozent) und Thüringen (10,6 Prozent).