Überraschungsbesuch des Parteichefs irritiert SPD. Schwindende Beteiligung an Dresdner Demo

Dresden/Berlin. Erstmals seit Oktober 2014 hat es bei den in Dresden stattfindenden Pegida-Demonstrationen keinen weiteren Zulauf gegeben. Nach Angaben der Polizei nahmen an der Kundgebung des islamkritischen Bündnisses am Sonntag auf dem Theaterplatz 17.300 Menschen teil – 7700 weniger als bei der Demonstration vor zwei Wochen. 5000 Menschen hätten sich an einer Gegenkundgebung beteiligt. Pegida hatte die Veranstaltung auf Sonntag verlegt, weil am heutigen Montag ein Konzert der Gegner stattfindet.

Die politische Debatte über den Umgang mit den Islamkritikern wurde am Wochenende von einem anderen Thema beherrscht: Mit Pegida-Anhängern reden – darf ein Spitzenpolitiker das? SPD-Chef Sigmar Gabriel hat es am Freitagabend getan, damit den Kurs seiner Generalsekretärin durchkreuzt – aber nur seinen Job gemacht. Reden zählt zum Kerngeschäft eines Politikers. Reden im Bundestag, mit dem Koalitionspartner, aber auch mit den Bürgern. „Ich finde es richtig, wenn Politiker vom Schützenfest bis zur Feuerwehr auftauchen“, sagt Gabriel – auch wenn das manchmal „eine Scheißarbeit“ sei.

Aber mit Pegida reden? Dass er am Freitagabend bei einer Veranstaltung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung eine Stunde lang mit Anhängern des islamkritischen Bündnisses sprach, hat eine heftige Debatte in der eigenen Partei ausgelöst. Der von Gabriel als privat deklarierte Besuch hat viele in der SPD überrascht. Zwar war im Willy-Brandt-Haus über die Option eines Ausflugs nach Dresden gesprochen worden. Dass Gabriel tatsächlich dort aufkreuzen würde, haben offensichtlich nur wenige erwartet.

Vor allem seine Generalsekretärin Yasmin Fahimi bringt der Parteichef damit in eine schwierige Lage. Zwar sind sich beide einig, dass man nicht mit den Organisatoren reden sollte. Fahimi hatte aber auch einen Dialog mit den Anhängern der Bewegung bisher klar abgelehnt. Ihre Haltung bekräftigte sie in einem Interview, das kurz vor dem Gabriel-Auftritt geführt wurde. „Wer mündig ist, trägt Verantwortung für seine Taten und dafür, wem er hinterherläuft. Deswegen möchte ich in keinen Dialog treten mit Leuten, die Stimmung schüren gegen Migranten, gegen Ausländer und gegen Andersdenkende.“

An diesem Montag dürfte die Klärung der SPD-Position und eine stimmige „Sprachregelung“ Thema der Telefonkonferenz des Präsidiums sein. Einige in der Partei betrachten die jüngsten Alleingänge Gabriels mit Sorge – zuletzt hatte ein Aufruf zu einer Großdemo gegen islamistischen Terrorismus für Unmut bei anderen Parteien gesorgt. Der SPD-Chef ist intern bekannt – und mitunter gefürchtet – für seinen Hang zu „Bauchentscheidungen“.

Nach Dresden kam er aus mehreren Gründen: um den Pegida-Anhängern zuzuhören, um zu verstehen, was sie antreibt, um zu zeigen, dass Politiker keine abgehobene Clique sind, die sich nicht für ihre Wähler interessieren. „Mein Rat ist jedenfalls, das zu tun, was seit Langem erforderlich ist: dass wir mit Menschen, die Sorgen haben, tabulos reden“, sagte Gabriel. Er will verstehen, was die Frust-Bürger bewegt. Die SPD holte in Sachsen bei der letzten Landtagswahl 12,4 Prozent.