Alte und neue Schulden – muss Berlin einen Kriegskredit an Griechenland zurückzahlen?

Berlin. Zwischen Athen und Berlin brodelt ein Konflikt, und nach der griechischen Parlamentswahl am 25.Januar könnte er rasch hochkochen. Syriza-Chef Alexis Tsipras, aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten, pocht auf die Begleichung einer alten Schuld. Die Bundesregierung will davon nichts wissen.

Zankapfel ist ein Darlehen der griechischen Notenbank an Deutschland, zu dem Athen 1942 von den damaligen deutschen Besatzern gezwungen worden war. 1,5 Billionen Drachmen musste Hellas den Nazis borgen. Zwar erhielten die Griechen 1960 als „Wiedergutmachung von NS-Unrecht“ 115 Millionen Mark. Doch die Zwangsanleihe wurde nicht zurückgezahlt.

Mehr als 70 Jahre faulte der Zankapfel vor sich hin. Jetzt besteht akute Vergiftungsgefahr. Denn anders als die bisherigen Regierungen in Athen könnte Tsipras die Rückzahlung in Berlin einfordern, wenn seine Syriza die Wahl gewinnt und er Ministerpräsident wird. Vom „ersten Tag an“ solle eine entsprechende Position festgelegt werden, lautete die Drohung.

Es geht um einen dicken Brocken. Auf eine Anfrage der Linken antwortete das Bundesfinanzministerium im Februar 2014, verschiedene Berechnungen bezifferten den heutigen Wert der Zwangsanleihe auf 3,5 bis 75 Milliarden US-Dollar (nach heutigem Wechselkurs bis zu 64 Milliarden Euro). Die griechische Presse berichtete vor wenigen Tagen von einer ganz frischen Aufstellung einer Expertenkommission im Auftrag des Athener Finanzministeriums. Das Ergebnis: Deutschland schuldet den Griechen für den nicht getilgten Besatzungskredit noch elf Milliarden Euro, das sei „unbestreitbar“. Der pleitebedrohte Staat braucht jeden Euro. Mit einem Scheck über elf Milliarden Euro könnte Tsipras fast alle seine Wahlversprechen bezahlen.

Es gibt aber noch einen größeren Zusammenhang: Deutschland hat Griechenland zur Überwindung seiner Schuldenkrise rund 65 Milliarden Euro geliehen. Den Betrag will Tsipras nicht ganz zurückzahlen. Er will, dass Berlin und die anderen Euro-Partner auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Sollen also alte Schulden gegen neue Schulden aufgerechnet werden?

Für die Bundesregierung dagegen ist das Thema Zwangsanleihe seit einem Vierteljahrhundert vom Tisch. 1990 wurde der Zwei-plus-vier-Vertrag geschlossen, und der zog nach Überzeugung Berlins einen Schlussstrich unter sämtliche Reparationsfragen – inklusive des Darlehens von 1942.