Weil Kontrollen versagen, fließen Unsummen in Projekte, die nie hätten genehmigt werden dürfen

Brüssel. Steuergelder in Millionenhöhe, die in Wellnesszentren oder Golfressorts fließen. Fast eine Milliarde Euro aus Brüssel für eine Brücke in Tschechien, die bisher niemals genutzt wurde – die Abgeordnete Inge Gräßle (CDU) überrascht das nicht. Seit Jahren kämpft die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament gegen den Missbrauch von EU-Geldern. Jedes Jahr fließen Milliardenbeträge in Projekte, die niemals hätten genehmigt werden dürfen. Die Kontrollbehörden in den Mitgliedsländern haben versagt. Aber die Regierungen und Aufsichtsbehörden tun fast nichts dagegen. Dabei geht es um Riesensummen: 51 Milliarden Euro gibt die EU jedes Jahr für Strukturpolitik zur Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen aus, allein 56 Milliarden Euro für die Unterstützung der Landwirtschaft.

„Aus internen Dokumenten der EU-Kommission geht nun hervor, dass wir uns auf die nationalen Behörden, die für die Auszahlung und Kontrolle der Milliardenbeträge aus Brüssel verantwortlich sind, nicht verlassen können. Die EU-Kommission hat in aufwendigen Stichproben herausgefunden, dass in 244 von 322 Regionalprogrammen in den Mitgliedstaaten teilweise erheblich gegen geltendes Recht verstoßen wurde“ sagt Gräßle. Bitter: Die nationalen Behörden haben bei ihren Kontrollen nur in 113 von insgesamt 322 Programmen Gesetzesverstöße bei den Auszahlungen der Gelder aus Brüssel herausgefunden. „Hohe Milliardensummen werden so aus den EU-Strukturfonds rechtswidrig ausgezahlt, und die Kontrollbehörden in den Mitgliedstaaten versagen auch noch bei der Überprüfung der eigenen Behörden und der Meldung nach Brüssel.“ Das sei ein „skandalöser“ Zustand, sagt die EU-Haushaltskontrolleurin.

Noch „brenzliger“ als bei den Strukturfonds sei es allerdings im Agrarbereich. Dort konnten in mindestens 42 von 71 Zahlstellen für EU-Agrargelder in den Mitgliedstaaten der Europäische Rechnungshof und die Europäische Kommission unrechtmäßige Ausgaben nachweisen. „Diese Trickserei und Lügerei ist ein Unding.“ Im Agrarbereich verursachen Rumänien, Bulgarien, Portugal und Griechenland die größten Risiken für ordentliche Mittelvergabe, im Bereich der Strukturfonds sind es die Slowakei, Großbritannien, Spanien und Belgien.

Eigentlich müssten die gesetzeswidrig verwendeten Gelder wieder zurückgezahlt oder in neue Projekte investiert werden – aber das passiert nur selten, die EU-Länder haben kein echtes Interesse, die Gelder zurückzufordern. Das schafft Ärger bei Wählern und kostet Verwaltungsaufwand. „Wir haben also im Bereich der Auszahlung und Kontrolle der EU-Gelder in den Mitgliedstaaten häufig einen mehrfachen Rechtsbruch. Ich fordere die EU-Kommission auf, falsche Berichterstattung zu sanktionieren und ein glaubwürdiges Wiedereinziehungssystem aufzubauen“, sagt Gräßle. Aber auch die Regierungen müssten handeln: „Sie müssen endlich wirksame Kontrollsysteme schaffen.“