Das Buch „Unterwerfung“ erscheint in Deutschland am 16. Januar. Die Werbetour ist abgesagt. Wie aber ist das Werk eigentlich literarisch zu bewerten?

Der Islam sei die dämlichste aller Religionen, kriegerisch, intolerant, er mache die Menschen unglücklich. Das sagte Michel Houellebecq 2001 nach der Publikation seines Romans „Plattform“. Klar war die Spannung da groß, als durchsickerte, dass in seinem neuen Roman „Unterwerfung“ die Muslimbruderschaft im Jahr 2022 die Wahlen in Frankreich gewinnt. Schon vor dem Erscheinen wurde Kritik laut, das Buch schüre die Ängste vor Einwanderern, sogar Staatschef François Hollande meldete sich mäßigend zu Wort. Bei einem Angriff auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“, das dem Roman eine Ausgabe widmete, kamen nun zwölf Menschen ums Leben. Und Houellebecq selbst, der seine Werbetour für das Buch mittlerweile abgesagt hat, verteidigte seinen Text mit der gleichen gelassenen Eloquenz, mit der er ihn geschrieben hat. „Ich bin kein Intellektueller, ich beziehe keine Stellung, ich verteidige kein Regime.“

Eines vorweg: Wer dieses Buch hetzerisch nennt, hat es nicht gelesen – oder die Ironie nicht verstanden. Im Zentrum steht François, Anfang 40, Literaturwissenschaftler. Eine Art Alter Ego von Michel Houellebecq, wie man es aus seinen Büchern kennt. Als Professor an der Sorbonne führt François ein farbloses Leben. Sexuelle Beziehungen unterhält er fast nur zu Prostituierten und zu Studentinnen. Junge Menschen mag er nicht. Ihr „Enthusiasmus gegenüber dem Leben“ ist ihm suspekt. Zu intellektuellen Höhenflügen fühlt er sich nicht mehr in der Lage.

Nachdem er den Lehrstuhl an der Universität verloren hat, geht François auf Selbstsuche in die Abtei von Ligugé, die er nach drei Tagen aber wieder verlässt, weil er dort nicht rauchen darf. Am Ende holt ihn der neue muslimische Rektor zurück an die Sorbonne, und François konvertiert zum Islam. Zwar fehlen ihm die Miniröcke seiner Studentinnen, die jetzt Burka tragen. Dafür aber darf er bis zu vier Frauen haben. Wenn das kein Argument ist! Lässt sich so doch sein Traum einer „Kochtopf-Frau“ verwirklichen, die in bestimmten Augenblicken „zur Dirne wird“. Bei aller Überspitzung entwirft Houellebecq das Bild eines gemäßigten Islamismus. Präsident Mohamed Ben Abbes kann fast als Sympathieträger durchgehen, der durch sein souveränes Auftreten eine Koalition der Sozialisten und der gemäßigten Rechten mit der Bruderschaft der Muslime erst ermöglicht, um einen Wahlsieg von Marine Le Pens Front National zu verhindern.

In kulturkritischen Diskursen, die die französische Literaturgeschichte streifen, wird im Roman der Niedergang der westlichen Welt verhandelt, die durch die Ablehnung jedes moralischen Gesetzes am Abgrund steht. Der Islam erscheint als letzte Rettung, wie der muslimische Rektor Rediger es einmal auf den Punkt bringt: „Der massive Zustrom von Einwanderern mit einem traditionellen kulturellen Hintergrund, der noch geprägt ist von natürlichen Hierarchien, der Unterwerfung der Frau sowie dem Respekt vor den Alten, sei eine historische Chance für die moralische und familiäre Wiederaufrüstung Europas.“ Ob im Patriarchat oder im Islam: Der Gipfel des menschlichen Glücks bestehe in der absoluten Unterwerfung.

Das ist natürlich alles ironisch zu verstehen. Lässt sich das Rad doch nicht einfach so zurückdrehen. Der Roman ist eine Versuchsanordnung, die ohne zu verurteilen oder Fremdenhass zu schüren ein Zukunftsszenario entwirft. Der trockene Ernst, mit dem der Literat sich diese Welt ausmalt, ist bemerkenswert und sicher auch schuld daran, dass er so oft missverstanden wird. Nicht der Roman ist das Problem, sondern die Reaktionen darauf zeigen, dass in dieser Gesellschaft etwas im Argen liegt.

Michel Houellebecq: „Unterwerfung“. DuMont Verlag, 280 Seiten, 22,90 Euro