Außenminister fordert bei Besuch in Kiew ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe noch an diesem Wochenende

Berlin/Kiew. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellt die Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise infrage. Im „Spiegel“ warnte er vor den Folgen der Strafmaßnahmen. Auf die Frage, ob er besorgt sei, dass Russland destabilisiert werde, falls Europa die Sanktionen nicht lockere, erklärte der Minister: „Die Sorge habe ich.“ Wer Russland wirtschaftlich in die Knie zwingen wolle, werde damit nicht mehr Sicherheit in Europa schaffen. „Ich kann davor nur warnen“, bekräftigte Steinmeier angesichts des zuletzt drastischen Rubel- und Ölpreisverfalls, der schwer auf der russischen Wirtschaft lastet, frühere Aussagen und wandte sich zugleich strikt gegen eine weitere Verschärfung der Sanktionen.

Russland zahle nun den Preis für den Vertrauensverlust wegen der Ukraine-Krise. Die handfeste Wirtschafts- und Finanzkrise werde in Russland sicher auch innenpolitische Wirkung entfalten. „Es kann nicht in unserem Interesse sein, dass diese völlig außer Kontrolle gerät“, erklärte der SPD-Politiker. „Das sollten wir bei unserer Sanktionspolitik im Blick haben.“

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Norbert Röttgen, widersprach Steinmeier. Er sehe keinen Grund für eine Lockerung der Sanktionen. „(Der russische Präsident Wladimir) Putin hat es selbst in der Hand, die Situation zu wenden“, sagte Röttgen dem „Spiegel“. Die Sanktionen sollten ihn dazu bringen, sein Verhalten zu ändern. Der Westen erreiche mit Sicherheit keine Änderung der russischen Politik, wenn er die Sanktionen ohne Gegenleistung aufhebe.

Beim EU-Gipfel in Brüssel hatten sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als auch Frankreichs Präsident François Hollande betont, konkrete Fortschritte in der Ostukraine seien die Voraussetzung für eine Lockerung der Sanktionen. Sollte Putin dem Westen entgegenkommen wollen, könnte er dies beim nächsten Treffen der Kontaktgruppe tun, die sich um eine Beilegung der Ukraine-Krise bemüht.

Im Konflikt in der Ostukraine sind bisher mehr als 4700 Menschen gestorben

Steinmeier hat bei seinem sechsten Besuch in diesem Jahr in Kiew ein Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe noch an diesem Wochenende gefordert. Es müsse „mit aller Kraft“ auf ein Treffen am Sonntag hingearbeitet werden, sagte er nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Dabei sollten „konkretere Vereinbarungen beim Gefangenenaustausch“, Festlegungen zur Einrichtung einer Pufferzone sowie Vereinbarungen für humanitäre Hilfe in der Ostukraine angesichts des Winters erzielt werden. Sollte ein Treffen der Kontaktgruppe zustande kommen und Ergebnisse liefern, wäre dies „in diesen Tagen vor Weihnachten auch ein Zeichen der Hoffnung“, sagte Steinmeier. „Ich glaube, wir sind es den Menschen in der ganzen Ukraine schuldig.“

Bei dem seit rund acht Monaten andauernden Konflikt zwischen ukrainischen Regierungstruppen, mit ihnen verbündeten Milizen und prorussischen Aufständischen sind nach Uno-Angaben bereits mehr als 4700 Menschen getötet und mehr als 10.000 weitere verletzt worden. Eine im September in Minsk vereinbarte Waffenruhe war von beiden Seiten immer wieder gebrochen worden. Auch eine am 9. Dezember in Kraft getretene Waffenruhe erwies sich als brüchig.