Union und SPD streiten über den richtigen Umgang mit den Anti-Islam-Demonstranten. Die AfD wirbt um die Protestler

Berlin/Dresden. Am Tag danach sind Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) sichtlich betroffen – und ein wenig ratlos. Alle engagierten Stellungnahmen gegen die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben nicht gefruchtet, auch das mahnende Wort der Kanzlerin gegen Ausländerhetze nicht: 15.000 Pegida-Anhänger sind am Vorabend in Dresden auf die Straße gegangen, 5000 mehr als in der Woche zuvor. Sie haben Politiker als „Volksverräter“ beschimpft, die Asyl- und Zuwanderungspolitik kritisiert und gegen eine angebliche Islamisierung protestiert. De Maizière widerspricht: „Es gibt keine wirkliche Gefahr der Islamisierung unseres Landes“, sagt er bei einem Symposium in Berlin, das er gemeinsam mit Maas eröffnet. Der Justizminister sagt es ähnlich. Die syrischen Flüchtlinge seien doch überwiegend Christen, nicht Muslime, betont Maas.

Doch weit reicht die Einigkeit der Minister nicht. De Maizière sagt auch: „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen.“ Es sei legitim, Fragen zu stellen, wenn die Zahl der Flüchtlinge so wachse wie derzeit. Statt das Thema Extremisten und Populisten zu überlassen, sei eine Debatte mit den Demonstranten notwendig. Der Justizminister dagegen holt kräftig aus, er hat kein Verständnis für die Protestler, die sich so „einfach verführen“ ließen, und für die „Verführer“ ohnehin nicht. Maas nennt es „armselig und peinlich“, dass sich Pegida auf die Werte des christlichen Abendlandes beruft. Er setzt auf Gegendemonstrationen, um „die Straße nicht den Rassisten zu überlassen“.

Reden oder zurückdrängen? So uneins wie Maas und de Maizière ist auch die Koalition. CSU-General Andreas Scheuer wirft Maas vor, die Demonstranten zu verunglimpfen, seine SPD-Kollegin Yasmin Fahimi hält dagegen, die Demonstrationen schürten Hass. Eine Strategie ist nicht erkennbar, eher hilflos verfolgt die Koalition, wie die Wutmärsche Sympathien in Teilen der Bevölkerung finden – knapp die Hälfte der Bundesbürger hat laut Umfrage mehr oder weniger Verständnis für die Protestumzüge. Alarmiert verfolgt vor allem die Union, wie die AfD jetzt den Schulterschluss mit den Demonstranten versucht. AfD-Vize Konrad Adam nahm gestern ungerührt die Geiselnahme von Sydney als Beleg dafür, dass die Protestler Recht hätten: Die Tat eines fanatischen Islamisten zeige, dass es keiner Masseneinwanderung bedürfe, um Menschen in Gefahr zu bringen. „Ein Einzelner genügt", sagte Adam.

SPD-Vize Ralf Stegner nennt die Äußerungen infam und wirft der AfD vor, sie bereite „den Weg für Ausländerhatz und brennende Flüchtlingsheime“. Die Union bemüht sich um eine andere Tonlage, sie wendet sich mit einer „Nein, aber-Strategie“ gegen „Klischees und Vereinfachungen“ auch gegenüber Pegida: Die Angst vor einer Islamisierung sei unbegründet, einer pauschalen Verunglimpfung von Muslimen trete die Union entschieden entgegen, sagt Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl. Aber zur Wahrheit gehöre auch, dass derzeit rund 70 Prozent der Asylanträge abgewiesen würden.

Beim Koalitionspartner SPD klingt das ganz anders. Ihr Innenexperte Burkard Lischka sagt: „Viele derjenigen, die bei Pegida auf die Straße gehen, sind für rationale Argumente nicht empfänglich." Die SPD-Führung weiß zwar, dass der Anti-Islam-Protest auch ihre Wählermilieus erreichen kann. Doch setzt die SPD auf klare Kante, ebenso wie die Grünen. Ihr Innenexperte Volker Beck sagt: „Auf Pegida gibt es nur eine Antwort: Niewieda“.

Doch die Protestler sind ungerührt. Pegida-Organisator Lutz Bachmann hat für nächsten Montag die nächste Kundgebung in Dresden angekündigt – als „Friedensfest“ mit Weihnachtsliedern.