Bis Mitte 2015 muss für Hauptstadtflughafen neuer Chef gefunden werden

Berlin. Es dauerte keine halbe Stunde nach der Rücktrittserklärung, da wurden Hartmut Mehdorn jede Menge warmer Worte zuteil. Der angekündigte Abgang des Noch-Flughafenchefs von Berlin sei „respektabel“, erklärte beispielsweise Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Er danke Mehdorn dafür, „die schwierige Situation neu geordnet und dem Projekt BER eine klare Richtung gegeben“ zu haben. Was man eben so zum Abschied sagt, wenn man es nicht so ganz aufrichtig meint. Und dann meinte Berlins Regierender, Mehdorns Angebot bis zum 30. Juni 2015 weiterzumachen, eröffne „die Perspektive eines geordneten Übergangs hin zu einem Nachfolger“. Das wäre dann das erste Mal, dass bei diesem Milliardenprojekt etwas „geordnet“ laufen würde.

Derzeit jedenfalls herrscht totale Unordnung. Wieder einmal. Der Abgang von Hartmut Mehdorn kam selbst für die Gesellschafter, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund, völlig überraschend. „Wir hatten ihm doch am Freitag das Vertrauen ausgesprochen, ihm den Rücken gestärkt. Und jetzt das“, heißt es im Umfeld der Gesellschafter. Noch am Freitag hatte der Flughafenchef mit dem Aufsichtsrat zusammengesessen und anschließend – auch das überraschend – einen Zeitplan für die Eröffnung des Hauptstadtflughafens genannt. In der zweiten Jahreshälfte 2017 soll er nun eröffnet werden, kündigte Mehdorn an. Nach dem vorgestellten Zeitplan sollen alle notwendigen Pläne für den Umbau im Terminal Mitte 2015 vorliegen. Zwischen März und Juni 2016 soll der Flughafen dann baulich fertig sein. Etwas mehr als ein Jahr später könnten dann die ersten Maschinen von dort abheben. Mit rund sechs Jahren Verspätung. Aber immerhin hatte Mehdorn für seine Pläne die volle Rückendeckung des Aufsichtsrats.

Alles gut also, so wirkte das Freitagabend nach außen. Doch zu diesem Zeitpunkt war der Bruch zwischen Mehdorn und den drei Gesellschaftern wohl schon irreparabel. Und Hartmut Mehdorn hatte möglicherweise da schon beschlossen gehabt, abzutreten. Noch einen Zeitplan nennen, Zeit für eine Nachfolgesuche lassen, und weg. Wollte Mehdorn die Tatsache, grünes Licht für seine Pläne bekommen zu haben, für einen Abgang mit Gesichtswahrung nutzen?

Eindeutig geklärt ist immerhin der Grund des Abgangs, dafür sorgte Hartmut Mehdorn selbst. Er habe „im Aufsichtsratsumfeld Spekulationen zu meiner Person“ zur Kenntnis nehmen müssen, „die das für mich vertretbare Maß überstiegen“, erklärte der amtierende Flughafenchef in einer Mitteilung. „Ich bedauere meinen Rücktritt persönlich sehr, da er weder meinem Pflichtbewusstsein noch meinen persönlichen Zielen entspricht. Der Schritt ist für mich aber in Abwägung der Gesamtlage notwendig geworden.“ Danach machte Mehdorn sein Handy aus.

Nun hat das Milliardengrab BER einen Flughafenchef auf Abruf und derzeit nicht einmal mehr einen Aufsichtsratvorsitzenden, denn der Posten ist vakant. Auf die Vorgänge angesprochen, sagte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in Berlin, die Rücktrittsankündigung Mehdorns habe ihn überrascht: „Aber beim Berliner Flughafen darf eigentlich nichts mehr überraschen.“ Doch so ganz ohne Vorwarnung kommt Mehdorns Abgang im Unguten aber nicht. In den vergangenen Wochen waren der Flughafenchef und die Gesellschafter heftig aneinandergerasselt. Grund war auch ein Brief Mehdorns, den dieser am Tag vor Nikolaus an das Bundesverkehrsministerium geschrieben hatte. Darin beschwerte sich der Flughafenchef darüber, dass die Gesellschafter mittels externer Kontrolleure „in unserem Haus eine Inquisition der Jahre 2013 und 2014 durchführen“ wollten. „Das Ganze passt zu der von uns erlebten und beklagten Misstrauenskultur rund um den BER“, schrieb Mehdorn.

Zuvor hatte er sich über die Untersuchung beim damals noch im Amt befindlichen Berliner Regierenden Bürgermeister und Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) beschwert. Elf Unternehmensberater hätten vor, in der Flughafengesellschaft alle entscheidenden Unterlagen vergangener Jahre unter die Lupe zu nehmen. „Der Vorgang übertrifft aber alles, was man sich vorstellen kann“, schrieb Mehdorn. In Berlin und Brandenburg ging der Verdruss so weit, dass man sich mit möglichen Nachfolgekandidaten treffen wollte. Die vertraulichen Gespräche wurden durchgestochen und abgesagt, aber angeblich hatten die Gesellschafter bereits die Fühler nach dem Chef des Flughafens Köln/Bonn, Michael Garvens, und den Münchner Flughafenmanager Thomas Weyer ausgestreckt.

Bestätigt wurden die Namen nie. Aber Mehdorn war gewarnt. Und die Tatsache, dass angeblich hinter seinem Rücken bereits ein Nachfolger gehandelt wurde, hatte ihn offenbar zu einem freiwilligen Abgang getrieben. Als Bahnchef hatte er gehen müssen, bei Air Berlin hatte er sich zum Rücktritt genötigt gesehen. Diesmal, bei seinem vermutlich letzten Spitzenposten, wollte der 72-Jährige selbst das Ende bestimmen.