Verkehrsminister Dobrindt weist scharfe Kritik der EU-Verkehrskommissarin Bulc genauso scharf zurück

Brüssel/Berlin. Die Kommissarin hat keine Zeit. Violeta Bulc, seit Anfang November EU-Verkehrskommissarin, schickte am Freitag per Mail an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) einen einseitigen Brief. In dem Schreiben bedankt sich Bulc für das Angebot des Deutschen, zu einem „dringenden Treffen“ nach Brüssel zu kommen, um über die Pkw-Maut zu sprechen. Doch Bulc sagt ab: „Leider bin ich in den kommenden Tagen nicht in Brüssel“, schreibt die Slowenin. „Ich komme erst am 18. Dezember zurück.“ Am Donnerstag. Aber schon am Tag zuvor, am Mittwoch, soll das Bundeskabinett die Gesetzespläne beschließen.

Es sieht zudem nicht so aus, als hätten die Kommissarin und der Minister die vergangenen Wochen nutzen können, um Brüsseler Bedenken gegen und Berliner Argumente für die Maut auszutauschen. Vielmehr ist es, als habe sich nichts bewegt: Die Kritikpunkte von Bulc sind dieselben, die schon ihr Vorgänger Siim Kallas geäußert hatte. Zum einen sei die Kommission der Ansicht, dass die Anrechnung der Mautgebühren auf die Kfz-Steuer inländischer Fahrzeughalter eine Bevorzugung deutscher Autofahrer bedeute. „Diese Situation führt zu einer indirekten Diskriminierung, basierend auf Nationalität“, heißt es in dem Brief. EU-Bürger anderer Staaten, die ja keine Kfz-Steuerentlastung bekommen können, würden benachteiligt.

Zweiter Punkt: Die Kurzzeit-Vignetten für Durchreisende seien überproportional teuer. Sie sollen zehn Euro für zehn Tage kosten und 20 Euro für zwei Monate. Gerade ausländische Kleinwagen kämen schlecht weg: „Insbesondere Fahrer von Autos mit kleineren Motoren zahlen einen unverhältnismäßigen Preis für Kurzzeit-Vignetten im Vergleich zu Jahres-Vignetten“, schreibt Bulc und wählt harte Worte: Der der Kommission vorgelegte Gesetzestext laufe „auf einen Bruch des fundamentalen Vertragsprinzips der Nichtdiskriminierung hinaus“, schreibt sie. „Ich bin sehr besorgt.“

Der Brief von Bulc, so ein Ministeriumssprecher in Berlin, sei offenbar mit „heißer Nadel gestrickt“, habe kein Datum und gehe fälschlicherweise davon aus, dass das Gesetzespaket in dieser Woche in den Bundestag eingebracht werde. Dabei gebe es am Mittwoch nur einen Kabinettsbeschluss. Der Brief erwecke den Eindruck, dass „der Kommissarin nicht die beiden Gesetzentwürfe vorliegen“. Es sind ja zwei Texte. Der eine kommt aus dem Hause Dobrindt und regelt die nach Schadstoffausstoß gestaffelte Höhe der elektronisch erfassten Maut. Den anderen Gesetzentwurf hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verfasst. Der legt fest, dass die Kfz-Steuersätze um den jeweiligen Betrag der Mautgebühr abgesenkt werden. Über all dies, so der Ministeriumssprecher, habe es in den vergangenen Monaten zwischen Berlin und Brüssel einen „Austausch auf fachlicher Ebene“ gegeben, aber die Ergebnisse dieses Austauschs lägen „dem Brief der Kommissarin nicht zugrunde“. Daher werde der Brief „auf den formalen Ablauf keinen Einfluss haben“.

Was das heißt, sagte Dobrindt später selbst: Das Kabinett solle in dieser Woche das Gesetzespaket beschließen. Er habe der Kommissarin eine Antwort geschickt. Darin stelle er klar, dass EU-Ausländer durch die Pkw-Maut nicht stärker belastet würden als Inländer. Die Infrastrukturabgabe stelle auch in der Kombination mit Freigrenzen bei der Kfz-Steuer keine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar. Denn die Halter von im Inland zugelassenen Autos würden anderweitig, durch die verbleibenden Kfz-Steuern, einen Beitrag zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung leisten.