13 Menschen starben 1980 bei Bombenexplosion – Hatte der Täter doch Hintermänner?

München/Karlsruhe. Es war der bis heute opferreichste Terroranschlag der bundesdeutschen Geschichte: Am 26. September 1980 explodierte am Ausgang des Münchner Oktoberfestes eine selbst gebastelte Rohrbombe und tötete 13 Menschen; mehr als 200 wurden verletzt, davon fast 70 schwer. Jetzt hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erneut Ermittlungen wegen möglicher Hintermänner des mutmaßlichen Haupttäters, des 21-jährigen Rechtsextremisten Gundolf Köhler, aufgenommen. Er hatte seine Bombe wohl versehentlich zu früh gezündet und war selbst zerfetzt worden.

„Mord verjährt nicht. Die Angaben einer uns bislang nicht bekannten Zeugin haben mich veranlasst, wieder förmliche Ermittlungen aufzunehmen“, teilte Generalbundesanwalt Harald Range am Donnerstag mit: „Wir werden unsere Ermittlungen allerdings nicht auf die Zeugin und deren Angaben beschränken. Vielmehr werden wir allen Ansatzpunkten zur Aufklärung der Hintergründe des heimtückischen Mordanschlags erneut und umfassend nachgehen.“

Die Zeugin, deren Angaben bisher von der Bundesanwaltschaft nicht ausgewertet worden sein sollen, ist allerdings schon bekannt. Sie hatte sich im vergangenen Herbst gemeldet. Nach eigenen Angaben hat diese Frau aber nichts zu sagen über das Attentat selbst. Vielmehr habe sie einen Tag nach dem Anschlag einen Nachruf auf den mutmaßlichen Bombenleger Köhler gesehen, und zwar, bevor dessen Name öffentlich bekannt wurde. Wer immer diesen Nachruf geschrieben hat, über den es aber offenbar nur diese eine Zeugenaussage gibt, muss also interne Informationen besessen haben: mutmaßlich aus dem Umfeld von Köhler. Seinerzeit teilte die Zeugin das auch der Polizei mit, die darin jedoch keinen Ermittlungsansatz sah. Wohl deshalb erfuhr die Bundesanwaltschaft nichts von ihr.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der Anschlag je aufgeklärt werden kann. Das Attentat steht im Mittelpunkt heftiger politischer Kontroversen und zahlreicher Verschwörungstheorien. Im aufgeheizten Klima des Bundestagswahlkampfes 1980 wurde dem Kanzlerkandidaten der Union, dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU), unterstellt, das Attentat eingefädelt zu haben, um Stimmung für eine Law-and-Order-Politik zu machen. Auch wurde angenommen, es könnte sich um einen Anschlag der linken Rote Armee Fraktion handeln.

In Wirklichkeit gehörte das Attentat zu der Serie von rechtsextremistisch motivieren Verbrechen, die seit der zweiten Hälfte der 70er-Jahren und bis weit in die 80er-Jahre hinein stattfanden. Im Gegensatz zu oft verbreiteten Behauptungen verfolgten die bundesdeutsche Polizei und Justiz diese Terroristen genauso hart – allerdings unter erheblich geringerer Anteilnahme der Öffentlichkeit – wie linksextreme Täter. Die Haftstrafen, die gegen die Angeklagten verhängt wurden, waren hoch.

Ausgerechnet die DDR-Staatssicherheit half dem Rechtsextremisten Odfried Hepp später bei seiner Flucht vor dem Ermittlungsdruck in der Bundesrepublik; er soll Köhler gekannt haben. Dennoch enthalten die Akten des MfS keinerlei konkrete Indizien, die auf Hintermänner von Köhler hinwiesen. Mehr als strafrechtlich irrelevante Spekulationen enthalten sie aber nicht. Längst ist es Ritual, neue Ermittlungen zu verlangen. Wiederholt begannen Voruntersuchungen, die aber jeweils ergebnislos beendet wurden.

Darauf verweist auch Range: „In der jüngeren Vergangenheit haben Vertreter des Generalbundesanwalts von Anfang Dezember 2009 bis Ende März 2010 und im November 2010 eingehend Stasi-Unterlagen gesichtet.“ Auch hochrangige Offiziere des MfS und ehemalige Angehörige rechtsextremistischer Kreise wurden befragt. Zuletzt prüfte die Bundesanwaltschaft die mögliche Beteiligung einer geheimdienstlichen „stay behind“-Organisation, also einer der legendenumwobenen Guerilla-Gruppen der Nato für den Fall einer sowjetischen Invasion. Sie sind Lieblingsgegenstand zahlreicher Politaktivisten, ohne dass jemals belastbare Indizien für ihre Tätigkeit aufgetaucht wären. Ergebnisse brachte all das Range zufolge nicht: „Erfolg versprechende Ermittlungsansätze für die Tatbeteiligung noch lebender Personen an dem Anschlag haben sich daraus allerdings nicht ergeben.“ Ohnehin sind alle denkbaren Straftaten im Zusammenhang mit dem Oktoberfest-Attentat außer Mittäterschaft oder Beihilfe zum Mord längst verjährt.