SPD-Politiker Ali Simsek sieht Salafisten als radikale Jugendbewegung und warnt vor „plumpen Parolen gegen Muslime“

Seit mehreren Jahren befasst sich Ali Simsek mit Islamismus. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete betreut Familien aus Hamburg, deren Kinder in den Dschihad gereist sind.

Hamburger Abendblatt:

Warum schließen sich Menschen radikalen Islamisten an?

Ali Simsek:

Der Islamismus ist gerade bei den Salafisten vor allem eine Jugendbewegung. Salafisten tarnen sich hinter der Religion. Für junge Menschen steht oft Gruppendynamik und Sinnsuche im Mittelpunkt. Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund fühlen sich ausgegrenzt aus der Gesellschaft. Die Extremisten bieten einfache Lösungen: Das ist gut, das böse. Diese Radikalität kann einem Menschen Halt geben. Für andere ist es einfach nur „cool“, vom Dschihad zu reden.

Wie muss die deutsche Gesellschaft darauf reagieren?

Simsek:

Jedenfalls nicht mit plumpen Parolen gegen Muslime. Nur weil ein Mensch streng nach dem Islam lebt, macht das aus ihm noch keinen Extremisten. Fast alle Muslime leben friedlich in Deutschland. Wir reden hier über eine radikale Minderheit, so wie Neonazis auch eine Minderheit unter den Deutschen sind. Und doch müssen wir diese Extremisten entschieden bekämpfen. Das IS-Verbot in Deutschland und die Überwachung radikaler Moscheeverbände durch den Verfassungsschutz sind richtige Schritte. Genauso bedarf es aber einer stärkeren Betreuung von Familien und Jugendlichen.

Wie kann die Stadt helfen?

Simsek:

Salafismus kann nicht nur mit Sicherheitspolitik bekämpft werden. Die Hürden für einen Passentzug oder gar Inhaftierung sind hoch. Zu Recht. Nur weil jemand Korane in der Stadt verteilt oder sogar vom Dschihad spricht, ist er noch kein Terrorist. Prävention ist genauso wichtig. Berater sollen die Familien und Kinder künftig psychologisch enger betreuen. Wir müssen die Jugendlichen wieder für Demokratie und Werte wie Humanismus begeistern. Aber auch die Deutschen müssen eine Art Präventionskursus absolvieren: Integration ist auch Aufgabe der Mehrheit.

Es hat lange gedauert, bis in Hamburg ein städtisches Beratungsnetzwerk auf den Weg gebracht wurde.

Simsek:

Das stimmt. Aber dafür beteiligen sich nun auch die muslimischen Verbände und alevitischen Gemeinden an der Präventionsarbeit. Das kann Vorbild für ganz Deutschland sein. Denn Imame in den Moscheen können durch theologische Schulung einer Radikalisierung vorbeugen. Das Netzwerk soll Anlaufstelle für alle Gruppen und Projekte werden, die sich mit Religion und Extremismus auseinandersetzen. Dabei geht es auch darum, Islamfeindlichkeit zu verhindern.