Urteil im Prozess gegen die „Düsseldorfer Zelle“: Islamistische Terroristen müssen bis zu neun Jahre in Haft

Düsseldorf. Abdeladim El-K. betrat mit erhobenem Haupt den Prozesssaal. Kraftvoll umarmte der 33-jährige Marokkaner den mitangeklagten Jamil S. und wagte noch coole Gesten vor Kameraleuten. El-K. kennt den speziell gesicherten Saal des Oberlandesgerichts Düsseldorf ziemlich gut. In den vergangenen fast zweieinhalb Jahren musste er mit drei Mitangeklagten 162-mal hier erscheinen. Die vier gelten als „Düsseldorfer Zelle“, die für die Terror-Organisation al-Qaida Anschläge in Deutschland vorbereitet haben.

El-K. und seine Komplizen mussten am Donnerstagmorgen ein letztes Mal im Saal Platz nehmen. Denn die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza verkündete das Urteil: Der Hauptangeklagte El-K. muss für neun Jahre hinter Gitter, der Deutschmarokkaner Jamil S., 34, bekam sieben Jahre und der Deutschiraner Amid C., 23, fünf Jahre und sieben Monate. Die drei waren nach Auffassung des Gerichts Mitglieder einer terroristischen Vereinigung. Der vierte Angeklagte Halil S., 30, gilt nicht als Mitglied und wurde wegen Unterstützung der Zelle sowie Betrügereien zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. „Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Angeklagten im Auftrag der Al-Qaida-Führung Terroranschläge in Deutschland verüben sollten und wollten“, kommentierte ein Gerichtssprecher das Urteil.

Der Prozess um die „Düsseldorfer Zelle“ war das bisher längste und aufwendigste Verfahren gegen islamistische Terroristen in Deutschland. Der Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Richterin Havliza musste etliche Herausforderungen bei der juristischen Aufklärung bewältigen. Havliza lobte das Bundeskriminalamt für dessen „unermüdlichen Einsatz“. Man habe durch „viele Mosaiksteine“ ein „klares und konturenreiches Bild“ zum Sachverhalt bekommen, betonte die Richterin. Die Ermittlungen waren so aufwendig, auch weil al-Qaida Verschlüsselungsprogramme benutzt und die Angeklagten sich konspirativ verhielten und teilweise mit gefälschten Pässen und Urkunden operierten. Die Ermittler konnten durch Online-Überwachung und Abhörmaßnahmen die Aktivitäten der Terroristen verfolgen.

Der Hauptangeklagte und ehemalige Mechatronik-Student El-K. war im Februar 2010 in einem Ausbildungslager von al-Qaida im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet angekommen und ließ sich im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausbilden. Im Mai 2010 kehrte er nach Deutschland zurück, um im Auftrag der Terrororganisation Anschläge vorzubereiten und Helfer zu rekrutieren. Im Dezember 2010 begannen sie nach den Erkenntnissen der Ermittler mit konkreten Anschlagsvorbereitungen. Sie luden Anleitungen zum Bombenbau aus dem Internet herunter, beschäftigten sich mit Sicherheitsvorkehrungen in öffentlichen Gebäuden, an Flughäfen und Bahnhöfen. Als sie Grillanzünder erhitzten, um den Stoff Hexamin für den Bau eines Zünders herauszulösen, griffen die Beamten zu und verhafteten das Trio Ende April in einer Wohnung in Düsseldorf. Der vierte Helfer Halil S. wurde einige Monate später in Bochum verhaftet.

Im Prozess wurde nicht zweifelsfrei klar, wie man El-K. überhaupt auf die Fährte gekommen ist. Es war nicht nur ein Anrufer aus Pakistan, der im Herbst 2010 vor einer Terrorzelle in Deutschland gewarnt hatte. Zudem gibt es Vermutungen, dass ein Hinweis vom US-Geheimdienst NSA und das Spähprogamm Prism gekommen ist, doch dies konnte das Gericht nicht aufklären. Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen soll dem Innenausschuss des Bundestags berichtet haben, dass der Hinweis von der NSA gekommen sei. Richterin Havliza sprach von einer „staatlichen Beschränkung“ von Aufklärungsmöglichkeiten, was sich als Kritik an der Geheimhaltung verstehen ließ.

Wie gefährlich und entschlossen der Hauptangeklagte El-K. war, offenbarte sich, als eine US-Eliteeinheit Al-Qaida-Anführer Osama Bin Laden im pakistanischen Abbottabad im Mai 2011 erschoss, nur wenige Wochen nach der Festnahme der „Düsseldorfer Zelle“. Die Elite-Kämpfer nahmen Rechner mit. Darauf befanden sich Schreiben, die auf El-K. hinwiesen. „O Scheich, wir halten unser Versprechen, entweder Sieg oder Märtyrertum“, heißt es darin. „Ich trainiere einige Jugendliche aus Europa, die bislang in Sachen Sicherheit sauber sind. Nach dem Ende des Trainings werde ich mithilfe Allahs mit dem Schlachten der Hunde anfangen“, schrieb El-K. an die Al-Qaida-Führung.

Die Vorsitzende Richterin lobte, dass die US-Regierung ganz unkompliziert drei FBI-Mitarbeiter als Zeugen schickte und beklagte, dass die islamische Republik Mauretanien monatelang ein Rechtshilfeersuchen blockierte und es letztlich nicht möglich war, ein führendes Mitglied von al-Qaida zu befragen. Die Ermittlungen in Deutschland führten auch dazu, dass in Belgien ein Ring von Urkundenfälschern zerschlagen wurde, mit deren Hilfe El-K. seine Anwesenheit in Deutschland verschleiern wollte.