Berlin. Der Druck, der auf Hannelore Kraft lastet, ist groß. Straßen und Brücken in Nordrhein-Westfalen sind in einem miserablen Zustand, die Kommunen müssen Schwimmbäder schließen – es steht schlecht um die öffentliche Infrastruktur im bevölkerungsreichsten Bundesland. Kraft muss die laufenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Zukunft der Finanzbeziehungen nutzen, um die Belastungen für NRW zu reduzieren. Das könnte die wichtigste politische Aufgabe in ihrer nun gut vierjährigen Amtszeit in Düsseldorf sein. Nicht zuletzt innerhalb der von ihr geführten SPD sind die Erwartungen und der Ärger über die finanziell teilweise bessergestellten östlichen Länder groß.

Nein, öffentlich poltern mag Kraft über „den Osten“ (wo ja allerhand Sozialdemokraten regieren) nicht. „Wir bleiben solidarisch“, sagte sie am Montag in Berlin mehrfach, doch ebenso oft konstatiert sie: „Wir wollen mehr von dem behalten, was bei uns erwirtschaftet wird.“ Die NRW-Regierungschefin empfindet es als ungerecht, dass NRW als Nehmerland im Länderfinanzausgleich gilt, wo es doch über den Umsatzsteuerausgleich im vorigen Jahr rund 2,4 Milliarden Euro in das System gespeist habe. Per Länderfinanzausgleich erhielt NRW 0,7 Milliarden Euro zurück. „Unterm Strich hat NRW im vergangenen Jahr rund 1,7 Milliarden Euro gezahlt“, heißt es in einem Papier der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Kraft verweist auf die hohen Steuereinnahmen. NRW stehe hier mit 3426 Euro pro Einwohner auf Rang fünf – also direkt nach Hamburg, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Nach dem Länderfinanzausgleich indes falle NRW auf Rang 16 zurück. „Wir haben die geringsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Bundesländer“, sagt Kraft, „und müssen immer noch Schulden machen.“ Ihr Land habe dabei kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmeproblem. Anders als die meisten ostdeutschen Länder hat NRW hohe Pensionszahlungen und Zinslasten zu tragen, allein diese beiden Blöcke verursachen Kosten von zehn Milliarden Euro in dem 62-Milliarden-Haushalt – bei derzeit geringen Zinsen. Die Beitragsbefreiung für die Betreuung unter Dreijähriger koste eine Milliarde Euro im Jahr, argumentiert Kraft.

Mit Argusaugen blickt sie auf andere Länder – etwa Sachsen –, deren Ausgaben höher liegen, und die dennoch begonnen haben, ihren Schuldenberg abzubauen.