Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium über Digitalisierung

Hamburg. Brigitte Zypries kümmert sich vor allem um die Digitalisierung dieser Republik. Als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium sieht die SPD-Politikerin und frühere Justizministerin den Wettbewerb durch große Suchmaschinen im Internet nicht gefährdet. Jeder Nutzer könne immer noch selbst wählen, sagt Zypries. Zudem stecke im Sammeln von Daten auch ein Potenzial. Ein Problem werde es, wenn ein Unternehmen wisse, wohin sie beispielsweise mit ihrem Auto unterwegs ist. In ihrem Ministerium gebe es sogar eine eigene Online-Suchmaschine. Ob sie am Ende nicht doch Google nutze? Brigitte Zypries antwortet nur mit einem Lächeln.

Hamburger Abendblatt:

Wirtschaftsminister Gabriel geht gegen die Marktmacht von Google vor. Wie groß ist die Gefahr, die von einem Datenmonopol ausgeht?

Brigitte Zypries:

Es geht immer um die Frage, wer was mit den Daten macht. Viele Daten zu sammeln ist erst einmal keine Gefahr, sondern eine Chance. Automobilkonzerne wie BMW oder Mercedes sind in der Carsharing-Branche vor allem deshalb aktiv, weil sie Daten über die Wegstrecken gewinnen wollen. Dagegen ist nichts zu sagen. Problematisch wird es aber, wenn persönliche Daten nicht mehr sicher sind. Ich möchte nicht, dass ein Unternehmen weiß, wo ich täglich hinfahre.

Datenschützer sagen: Wer viele Daten hat, bekommt noch mehr. Zerstören Datenmonopole den Wettbewerb?

Zypries:

Es liegt uns fern zu bestimmen, ob und wie oft Internetnutzer Suchmaschinen nutzen. Diese Suchmaschinen liefern nun mal gute und hilfreiche Suchergebnisse. Problematisch wird es aber etwa dann, wenn eine Suchmaschine eigene Produkte bei den Suchergebnissen vorne platziert und bestimmte Firmen bei den Resultaten bevorzugt. Wichtig ist uns, dass der Wettbewerb funktioniert und das Wettbewerbsrecht eingehalten wird. Aspekte wie Marktmacht, Regulierung und Datenschutz stellen die Frage nach einem neuen Ordnungsrahmen für das digitale Zeitalter. Das gehen wir an.

Sie kommen aus der Bürgerrechtsbewegung. Überrascht Sie, dass viele Deutsche skeptisch gegenüber Beobachtung durch den Staat sind, aber gleichzeitig ohne Probleme bei Facebook und Google surfen?

Zypries:

Das überrascht mich. Das beste Beispiel sind die Payback-Karten: Kunden überlassen Geschäften oft ohne darüber nachzudenken ihre kompletten Einkaufsdaten, um Prämien wie ein Messerset zu erhalten. Gleichzeitig ist der Ärger groß, wenn der Staat Steuerdaten erhalten möchte, um Betrug zu bekämpfen. Dieser Wertungswiderspruch leuchtet mir oft nicht ein.

Auch Unternehmen sehen „Big Data“, das Sammeln vieler Daten, kritisch. 70 Prozent der mittelständischen Betriebe stehen einer Digitalisierung skeptisch gegenüber. Verpasste Chancen?

Zypries:

In der Tat. Viele mittelständischen Unternehmen verpassen die Chancen, die eine Digitalisierung bringt. Einige Betriebe sperren sich gegen digitale Innovationen, andere sorgen sich um die Kosten für eine Digitalisierung des Betriebs. Da wird die Bundesregierung nun in einen Dialog mit den Unternehmern treten, sensibilisieren und um Vertrauen werben. Die Chancen von digitalen Techniken sind in der Verwaltung und der Produktion eines Unternehmens enorm.

Im Vergleich zu anderen Staaten hinkt die deutsche Industrie bei der Digitalisierung hinterher. Ist das ein Grund, weshalb sich Deutschlands Wirtschaft in einer Abwärtsspirale bewegt?

Zypries:

Vor allem belasten derzeit die zahlreichen internationalen Krisen die deutsche Industrie. Auch der Konflikt um die Ukraine und die Sanktionen der EU gegen Russland verunsichern die Wirtschaft. Das hat u. a. zu einem Rückgang der deutschen Exporte nach Russland um etwa 26 Prozent geführt. Dennoch gibt es keine Abwärtsspirale. Der deutsche Arbeitsmarkt ist robust, die Binnenkonjunktur gut – kurz, die deutsche Wirtschaft ist stabil, sie federt Konjunkturschwankungen ab.