Merkel weist Arbeitgeber mit Ja zur Frauenquote in die Schranken und verspricht keine weiteren Regulierungen über den Koalitionsvertrag hinaus

Berlin. Die Konjunktur in Deutschland hat sich spürbar abgekühlt – die Aussichten sind durchwachsen. Die Herbstprognose der Regierung geht für 2014 nur noch von einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent aus – im Frühjahr hatte die Regierung noch mit 1,8 Prozent gerechnet. Angesichts dieser Zahlen und Erwartungen ist es kein Wunder, dass Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer von der Bundesregierung ein Ende wirtschaftsfeindlicher Reformen erwartet. „Wir brauchen für den Rest der Legislaturperiode ein Belastungsmoratorium“, sagte Kramer am Dienstag auf dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. Dass sich die Konjunktur erheblich eingetrübt habe, sei nicht nur der schlappen Wirtschaft in der Euro-Zone und geopolitischen Risiken geschuldet. Dies hänge auch mit den politischen Entscheidungen im ersten Halbjahr zusammen – von der Rente mit 63 bis zum Mindestlohn.

„Das hat viel Unsicherheit in die Unternehmen gebracht und Investitionen gebremst, obwohl die konkreten Auswirkungen noch gar nicht sichtbar sind“, sagte Kramer. Das sei Gift für Investitionen, Wachstum und Arbeitsplätze. Der Koalitionsvertrag sehe noch weitere Regulierungen vor – etwa von Werkverträgen und Zeitarbeit. Dazu fänden sich darin neue Rechtsansprüche auf Freistellungen von Arbeitnehmern sowie mehr Bürokratie durch Frauenquote, Eltern- und Pflegezeit. „Wer jetzt Wachstum Priorität geben will, sollte all diese Projekte wieder streichen“, forderte Kramer. „Das gäbe wieder einen Schub für Investitionen und Wachstum in unserem Land.“

Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) biss Kramer mit seinen Forderungen aber auf Granit. Die Kanzlerin verwies als Gastrednerin auf dem Arbeitgebertag darauf, dass die Binnenkonjunktur in Deutschland stabil sei. Verantwortlich für die gesunkene Wachstumserwartung seien vor allem geopolitische Risiken sowie die Ukraine-Krise. Auch das geringe Vertrauen in die Euro-Zone sei ein Faktor. „Die Lage in der Eurozone ist extrem fragil“, sagte sie. Es fehle den Reformanstrengungen an Glaubwürdigkeit, weil schon wieder Vorgaben des Stabilitätspakts infrage gestellt würden. EZB-Präsident Mario Draghi habe recht, wenn er sage, dass Geldpolitik keine strukturellen Reformen ersetzen könne. Deshalb seien in der EU verbindliche Vereinbarungen nötig, wie die Länder ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen wollten.

Der Entwurf für mehr Frauen in Aufsichtsräten werde kommen, sagte Merkel. In Jahren der Selbstverpflichtung sei die Wirtschaft hier nur bedächtig vorangekommen. Merkel wies die Befürchtung der Arbeitgeber zurück, es fänden sich dann wohl zu wenig weibliche Kräfte. Zugleich kündigte sie an, dass Werkverträge zwar wichtig bleiben würden, die Koalition hier aber einige „Präzisierungen“ vorhabe. Informationsrechte für Betriebsräte müssten hier gestärkt werden. Merkel versprach zugleich: „Wir werden über das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nicht hinausgehen.“ Sie betonte, dass sie einer Anti-Stress-Verordnung sehr skeptisch bis ablehnend gegenüberstehe. Betriebliche Lösungen müssten greifen. Bei den von der Koalition geplanten flexibleren Rentenübergängen wandte sich Merkel gegen eine Teilrente ab 60. „Das sehe ich nicht.“ Merkel kündigte eine mögliche Rentenbeitragssenkung an. „Wir werden die Spielräume, die wir jetzt wahrscheinlich haben, in der Rentenversicherung nutzen, um den Beitrag zu senken.“

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) machte den Arbeitgebern deutlich, „dass wir nicht nach einem Kurswechsel in der Sozialpolitik rufen müssen“. Deutschland sei auf Wachstumskurs. Er sorge sich, „dass zu schnell das Rezessionsgerede beginnt“.

Merkel sagte: „Wir haben eine gute Aussicht, erstmals an die Grenze von 43 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland heranzukommen.“ Gleichklang bei Merkel und Gabriel gab es auch beim Dauerbrenner Investitionen. Von der Wirtschaft über die Opposition kamen zuletzt Rufe nach mehr öffentlichen und privaten Investitionen in die Infrastruktur. „Das ist ein Thema, wo wir handeln müssen“, sagte Merkel. Investitionen auf Pump lehnte sie ab. Gabriel wandte sich gegen Konjunkturprogramme über Schulden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte, Sparen und Investieren müssten Hand in Hand gehen: „Stabilitätspolitik erlaubt beides.“ Das gelte für den Bund und für Europa. Große Hoffnungen setzt die Wirtschaft in die Digitalisierung. Kramer forderte eine erstklassige Breitbandinfrastruktur. Auch die Kanzlerin und Gabriel betonten die Bedeutung dieses Bereichs.

Trotz der Belastung der Wirtschaft durch die Ukraine-Krise betonte Merkel, die Sanktionen gegen Russland seien weiter nötig. „Es gibt im Augenblick keinen Grund, sie aufzuheben.“ Dafür äußerte Kramer Verständnis, obwohl dies deutsche Unternehmen und ihre Beschäftigten treffe. „Wenn es um Fragen von Frieden und Freiheit, um grundlegende Prinzipien zivilisierten Verhaltens unter den Völkern geht, dann muss das Primat der Politik gelten“, sagte Kramer. „Gerade auch im Interesse der Wirtschaft, die auf Rechtsstaatlichkeit in ihren Handelsbeziehungen und bei ihren internationalen Investitionen angewiesen ist.“