Die Große Koalition will die starre Altersgrenze aufweichen. Zugleich lehnen immer mehr jüngere Arbeitnehmer einen frühen Ausstieg aus dem Berufsleben ab. Eine Rolle spielt dabei auch die Furcht vor der Altersarmut.

Berlin. Die Deutschen wünschen sich mehrheitlich keinen starren Renteneintritt, sondern einen flexiblen Übergang in den Ruhestand. Auf die Frage „Sollte es für Erwerbstätige grundsätzlich die Möglichkeit geben, auch über die gesetzliche Altersgrenze hinaus zu arbeiten?“, antworteten 88 Prozent mit „Ja“, ergab eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Gothaer Versicherung.

77 Prozent gaben an, aus „Spaß“ an der Arbeit weiter berufstätig sein zu wollen, 60 Prozent nannten „Geld“ als Grund. Finanzielle Motive treiben vor allem die Jüngeren (31 bis 40 Jahre) dazu, sich mit einem längeren Arbeitsleben anzufreunden. Mehr als ein Drittel gab an, große Angst zu haben, dass sich ihre finanzielle Lage als Rentner drastisch verschlechtere. Die Meinungsforscher hatten im September 2014 bundesweit 1513 Bürger zwischen 20 und 70 Jahren befragt. 91 Prozent halten bisherige Reformen für nicht ausreichend. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hält prinzipiell jedoch an der 63-Jahre-Grenze fest.

Inzwischen arbeitet die Koalition an einer neuen Rentenreform. Mit verbesserten Möglichkeiten zur Teilrente sowie Anreizen für ein Arbeiten über die gesetzliche Altersgrenze hinaus wollen SPD und Union die starre Altersgrenze aufweichen. Am Dienstag kommt die von der Koalition im Sommer eingesetzte Arbeitsgruppe erneut zusammen, um über konkrete Maßnahmen zu verhandeln. Während über bessere Hinzuverdienstgrenzen für Frührentner bereits weitgehende Einigkeit herrscht, stößt die Forderung des Wirtschaftsflügels der Union nach finanziellen Anreizen für Rentner, die über die Regelaltersgrenze hinaus beschäftigt sind, auf Widerstand bei der SPD.

Teilrente soll attraktiver werden

In der Bevölkerung wächst derweil die Bereitschaft, auch im Seniorenalter noch erwerbstätig zu sein, zeigt die aktuelle Umfrage. Fast 60 Prozent der Bürger können sich vorstellen, länger als bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten. Unter den 20- bis 30-Jährigen liegt der Anteil mit 73 Prozent sogar noch deutlich höher. Allerdings wächst mit dem Alter die Furcht, als Rentner den Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Jeder zweite Bundesbürger fürchtet Armut im Alter. Die von der Großen Koalition im vergangenen Sommer beschlossene abschlagsfreie Rente mit 63 wird vor allem von den jüngeren und gut gebildeten Befragten überwiegend skeptisch beurteilt. Fast die Hälfte der 20- bis 30-Jährigen fürchtet, dass diese Möglichkeit zum frühzeitigen Berufsausstieg das Rentensystem und die öffentlichen Kassen mittelfristig überfordern werde. 43 Prozent der Jungen halten die Rente mit 63 allerdings für finanziell verkraftbar.

Die Arbeitsgruppe der Koalition verhandelt sowohl über Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit als auch über Wege, vorzeitig beruflich kürzerzutreten. So soll die bisher wenig genutzte Teilrente, die schon mit 63 Jahren beantragt werden kann, attraktiver werden. Dazu soll die geltende Höchstgrenze für den Hinzuverdienst von derzeit 450 Euro im Monat deutlich angehoben werden.

Die Forderung der Gewerkschaften, die Teilrente schon ab 60 Jahren zu ermöglichen, lehnt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ebenso wie die Union ab. In den kommenden Jahrzehnten müssen Durchschnittsverdiener mit rund 2900 Euro Monatsbruttolohn davon ausgehen, nur noch eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu erhalten. Das sind inklusive der Leistungen für Wohnung und Heizung derzeit 690 Euro im Monat, berichtet die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf eine Studie der Uni Duisburg-Essen.