Internationale Konferenz in Berlin vereinbart mehr Hilfe für Flüchtlinge. Deutschland sagt 500 Millionen Euro zu

Berlin. Das Auswärtige Amt in Berlin war an diesem Dienstagmorgen besonders streng bewacht. Rund um das Gebäude waren Straßen gesperrt und Mannschaftswagen der Polizei postiert. Grund für die Sicherheitsmaßnahmen war die internationale „Konferenz zur syrischen Flüchtlingslage“. Vertreter von mehr als 35 Staaten und internationalen Organisationen waren angereist, um über die dringendsten Hilfsmaßnahmen zu diskutieren.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die Gäste im Foyer vor dem großen „Weltsaal“ persönlich: seine Amtskollegen aus Jordanien und dem Libanon, die stellvertretenden Außenminister aus Ägypten, dem Irak und der Türkei sowie den Generalsekretär der Arabischen Liga. Höflich wurden Hände geschüttelt, und freundlich lächelnd wandten sich die Gesichter in Richtung der Kameras. Für einen Moment schien es, als wäre die Lösung des Flüchtlingsproblems nur eine Frage des Wollens und zum Greifen nah. Die gepflegte Atmosphäre der Diplomatie aber täuschte über die dramatische Lage der Flüchtlinge hinweg. Seit mehr als drei Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind bereits mehr als drei Millionen Menschen aus Syrien in die Nachbarstaaten geflohen. Allein der Libanon hat 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, in der Türkei leben eine Million und in Jordanien mehr als 600.000 Flüchtlinge. Doch die betroffenen Länder können den anhaltenden Flüchtlingsstrom kaum noch bewältigen und stoßen an die Grenzen ihrer Versorgungskapazitäten.

„Wir müssen uns auch in ganz besonderer Weise um die Stabilität der Aufnahmeländer kümmern“, sagte Steinmeier. Wo Wasser, Energie und Nahrungsmittel ohnehin schon knapp seien, werde die wachsende Zahl der Flüchtlinge zur „Sprengkraft“ für die sozialen Strukturen eines Landes. Im Libanon gibt es inzwischen mehr syrische als einheimische Schulkinder. Das allein zeigt, vor welchen großen Herausforderungen das Land steht.

Auf der Konferenz ging es daher auch nicht nur um die humanitäre Soforthilfe, sondern erstmals auch um langfristige Strategien und eine bessere Koordinierung der Hilfsmaßnahmen in den Aufnahmeländern. In ihrem Schlussdokument, der „Berliner Erklärung“, vereinbarten die Teilnehmer daher, den betroffenen Ländern ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen und damit vor allem eine bessere Planbarkeit zu ermöglichen. Hilfsleistungen sollten stärker an den Bedürfnissen der syrischen Nachbarländer ausgerichtet sein. Deutschland wird dafür in den kommenden drei Jahren zusätzlich 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Bereits in diesem Jahr hat die Bundesregierung die Hilfe um 140 Millionen Euro aufgestockt.

Die Mehrzahl der syrischen Flüchtlinge wird sich darauf einstellen müssen, nicht so bald zurückkehren zu können. „Leider gehört es zur ganzen Wahrheit, dass der Bürgerkrieg in Syrien noch nicht zu Ende ist und weiter Menschen aus diesem Land fliehen“, sagte Steinmeier. Um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, müssen zum Beispiel Gesundheitsstationen eingerichtet und Schulen gebaut werden. Deutschland will sich besonders in Jordanien um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser kümmern, in der Region Dohuk im Nordirak sollen winterfeste Unterkünfte für zunächst 3600 Menschen errichtet werden. Später sollen in der Siedlung einmal 12.000 Flüchtlinge leben können.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete die Lage der Flüchtlinge in der Region als eine „Jahrhundertkatastrophe“. Der Winter stehe bevor, und dann drohe sich die Not der Menschen noch zu verschärfen. „Keiner darf in diesem Winter an Hunger und Kälte sterben“, sagte Müller. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sei das Geld so knapp, dass die Nahrungsmittelrationen zum Teil bereits gekürzt werden mussten. Das sei „inakzeptabel“, mahnte Müller. Es bedürfe aber eines „Kraftakts der Solidarität des Helfens“, Die Konferenz sei ein Signal, dass die Menschen nicht vergessen würden.

Der libanesische Außenminister Gebran Bassil bedankte sich zum Abschluss der Konferenz für die versprochene Unterstützung, er machte aber auch deutlich, dass sein Land auf Dauer die große Zahl von Flüchtlingen nicht werde verkraften können. Auch wenn der syrische Bürgerkrieg noch andauere, müsse Flüchtlingen schon jetzt die Rückkehr in friedliche Regionen Syriens ermöglicht werden, um eine „Implosion“ des Libanon zu verhindern, wie er es ausdrückte.

Die Organisation Oxfam rief zur schnellen Umsetzung der Beschlüsse der Konferenz auf. Dabei müsste sichergestellt werden, dass die lokale Bevölkerung und Flüchtlinge gleichermaßen unterstützt würden. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl appellierte an die EU, selbst mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Nachbarländer seien schlicht überfordert und dabei, ihre Grenzen zu schließen, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Man kann ja nicht nach außen Solidarität von den Nachbarstaaten Syriens verlangen und selbst die Grenzen schließen.“