Nach Kritik aus der Wirtschaft geht die Arbeitsministerin in die Offensive: Unternehmen müssten „in die Puschen kommen“

Berlin. Die jüngste Warnung kam vom Taxigewerbe: Die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 werde „relativ kurzfristig“ jeden vierten Taxifahrer-Job bedrohen, warnt der Branchenverband BZP. Die Droschkenfahrt wird auf jeden Fall teurer: In vielen Städten versuchen die Taxiunternehmen derzeit, Tariferhöhungen von bis zu 30 Prozent durchsetzen.

Andere Branchen schlagen in diesen Wochen ebenfalls wegen des bevorstehenden Mindestlohns von 8,50 Euro in der Stunde Alarm: Obstbauern kündigen die Verringerung ihrer Anbauflächen an, weil sie diesen Lohn nicht zahlen könnten, Schausteller drohen mit Geschäftsaufgabe. Insgesamt sollen 3,7 Millionen Beschäftigte von der Einführung des Mindestlohns profitieren, wobei es Übergangsregelungen für einige Branchen bis Ende des Jahres 2016 gibt. Auch die Politik erreicht inzwischen der Unmut: Nachdem kürzlich die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kritisiert hatten, der Mindestlohn schwäche die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft und damit die Konjunktur, forderten Unionspolitiker prompt, das Gesetz zu verschieben, was in der Koalitionsführung allerdings nur Kopfschütteln auslöste.

Jetzt will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gegensteuern: Für die nächsten Wochen plant sie eine große Informationskampagne zu „einer der größten sozialpolitischen Reformen“, seit dem gestrigen Donnerstag ist das Bürgertelefon des Arbeitsministeriums um eine „Mindestlohn-Hotline“ ergänzt. Unter 030/60280028 können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber individuell informieren lassen. Zur Freischaltung der Hotline reiste Nahles eigens mit Journalistenbegleitung nach Rostock. Zuvor besuchte die Ministerin ein Callcenter in Berlin, dessen Unternehmensleitung den Mindestlohn begrüßt, weil er dem Lohndumping Grenzen setzt. „Der Mindestlohn sorgt für fairen Wettbewerb und faire Löhne“, warb Nahles. Sie ermahnte die Arbeitgeber, sich schnell auf den Mindestlohn vorzubereiten. Etliche Unternehmen würden „kalt erwischt, wenn sie nicht in die Puschen kommen“ – sie hätten wohl zu lange darauf gesetzt, dass der Mindestlohn noch scheitere.

Ein Problem indes bleibt ungelöst: Effektive Kontrollen, ob der Mindestlohn eingehalten wird, sind vorerst nur eingeschränkt möglich. Die zugesagten 1600 Stellen bei der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls werden erst bis 2019 eingerichtet sein, wie die Regierung jetzt einräumt. Die Finanzkontrolle ist ohnehin schon überlastet, 600 Stellen sind unbesetzt, das neue Personal muss erst noch ausgebildet werden. Der DGB ist besorgt: Damit der Mindestlohn nicht unterlaufen werde, seien effektive Kontrollen schon jetzt notwendig, nicht erst 2019.

Mit einem speziellen Vorschlag sind die Gewerkschaften bei Nahles schon gescheitert: Ein besonderes Beschwerdetelefon, über das Unternehmen bei Verstößen gegen das Mindestlohngesetz auch anonym angeschwärzt werden können, ist vorerst nicht geplant. Arbeitnehmer oder Konkurrenten müssen bei Hinweisen die allgemeine Mindestlohn-Hotline anwählen oder den Zoll direkt kontaktieren.