Defizitsünder Paris drängt Bundesregierung zu einem Investitionspaket – doch Gabriel und Schäuble ist die Schuldenbremse wichtiger

Berlin. Die Absage an die Gäste war deutlich: Strohfeuerprogramme für die Konjunktur werde die Bundesregierung nicht auflegen, stellte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern beim deutsch-französischen Ministertreffen in Berlin klar. Es bringe auch nichts, den jeweils anderen in Europa schlechtzureden – auf Schulmeisterei werde besser verzichtet.

Die Klarstellung in Anwesenheit der französischen Minister für Wirtschaft, Emmanuel Macron, und für Finanzen, Michel Sapin, hatte ihren Grund: Kurz vor ihrem Treffen mit Gabriel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatten die Minister die Bundesregierung aufgefordert, ein 50-Milliarden-Investitionspaket zugunsten der Konjunktur aufzulegen, was nur mit neuen Schulden finanzierbar wäre: „50 Milliarden Euro Einsparungen bei uns und 50 Milliarden zusätzliche Investitionen bei Ihnen – das wäre ein gutes Gleichgewicht“, sagte Macron der „FAZ“. Eine gezielte Provokation. Die Bundesregierung war verwundert, die Union gar verärgert: Frankreich solle lieber die EU-Haushaltsregeln einhalten, statt Berlin Ratschläge zu geben, hieß es in der Unionsfraktion. Denn: Der Druck auf die Koalition wächst, ihr Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zugunsten stärkerer Investitionen aufzugeben.

Dabei hatte das Treffen in Berlin ein Signal der deutsch-französischen Geschlossenheit senden sollen. Gemeinsam wollen beide Länder Anfang Dezember Vorschläge machen, wie Investitionen gestärkt werden können. Doch haben Berlin und Paris dazu völlig unterschiedliche Vorstellungen, der tiefe Riss ist nicht zu übersehen. Der Streit um den richtigen Haushaltskurs ist nicht nur für beide Regierungen, sondern auch für die EU heikel.

Frankreich hat gerade einen Offenbarungseid leisten müssen: Gegenüber der EU-Kommission räumte Paris ein, dass es seine von der EU großzügig verlängerten Schuldenziele abermals nicht wird einhalten können. Das Haushaltsdefizit wird nächstes Jahr nicht wie verlangt bei höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, sondern bei 4,3 Prozent. Die eigenmächtige Regelauslegung kann die EU-Kommission kaum dulden. Sie könnte die Haushaltspläne ablehnen, ein Defizitverfahren einleiten, an dessen Ende Frankreich Strafzahlungen drohen. Der erneuerte Stabilitätspakt, den Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzt hat, steht infrage. Andererseits will Berlin den zuletzt wieder stärkeren Schulterschluss mit Frankreich nicht gefährden. Gesucht wird jetzt ein Ausweg: Frankreich könnte sich gegenüber der EU vertraglich zu Strukturreformen etwa in der Sozialversicherung verpflichten und dafür von der Kommission mehr Zeit für die Haushaltssanierung bekommen. Doch Frankreich sieht Deutschland in der Pflicht zum Kurswechsel.

Dass die Bundesregierung etwas tun muss, wird auch in Berlin nicht mehr bestritten – aber am Ziel eines Haushalts ohne neue Schulden ab 2015 soll dennoch festgehalten werden. Gabriel und Schäuble lassen bereits prüfen, wie die Konjunktur ohne große Kosten angekurbelt werden könnte. Dabei geht es aber fast nur um private Investitionen: So lässt Schäuble eine steuerliche Förderung von Investitionen in die Forschung vorbereiten und denkt an Vergünstigungen für Wagniskapital. In Gabriels Ministerium wird ausgelotet, mit welchen steuerlichen Anreizen etwa energiesparende Investitionen in Gebäude oder Autos gefördert werden könnten. Als Signal an Frankreich soll eine gemeinsame Ökonomen-Arbeitsgruppe Vorschläge vorlegen, wie in beiden Ländern mehr Wachstum befördert werden kann.