Innenminister wollen Ausreise in Kampfgebiete erschweren. Grüne kritisieren: „Terroristen-Perso“ bringt nichts

Berlin. Gewaltbereite Islamisten sollen künftig durch den Entzug des Personalausweises daran gehindert werden, aus Deutschland in Kampfgebiete nach Syrien und in den Irak auszureisen. Darauf haben sich die Innenminister von Bund und Ländern am Freitag bei einem Sondertreffen in Berlin verständigt. Verdächtige sollen stattdessen eine Art Ersatzausweis bekommen, mit dem sie Deutschland nicht verlassen dürfen. Bislang ist es möglich, Terroranhängern den Reisepass zu entziehen. Viele Islamisten reisen aber mit einem Personalausweis in die Türkei und von dort weiter nach Syrien und in den Irak. Diesen Weg wollen die Ressortchefs künftig unterbinden.

Auch aus Deutschland haben sich zahlreiche junge Männer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak angeschlossen. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben bislang mehr als 450 Ausreisen in die Konfliktregion gezählt. Bislang acht von ihnen sollen als Selbstmordattentäter ums Leben gekommen sein, eine unbekannte Zahl ist in den kriegerischen Auseinandersetzungen getötet worden.

Befürchtet wird, dass radikalisierte Rückkehrer in Deutschland und anderswo Anschläge begehen könnten. Mehr als 150 der Ausgereisten sind inzwischen wieder zurück in Deutschland, einige davon mit Kampferfahrung.

Bayern schob am Freitag einen Unterstützer des IS in die Türkei ab. „Jemand, der in aller Öffentlichkeit die Gräueltaten der Terrormiliz Islamischer Staat gutheißt, das Köpfen von Journalisten rechtfertigt und nicht davor zurückschreckt, seine eigene Familie zu töten, wenn sie sich nicht an die islamischen Gesetze hält, hat bei uns letztlich nichts verloren“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Erhan A. hatte in einem Interview gesagt, er beneide seinen Freund aus Kempten, der als Gotteskrieger in Syrien umgekommen war. Die vom IS enthaupteten Journalisten seien Feinde gewesen, „und die darf man töten“ – ebenso wie Kriegsgefangene. „Ich würde sogar meine eigene Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellt“, hatte der 22-Jährige gesagt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) betonte in Berlin, es handele sich um einen Sonderfall. Erhan A. stand seit Längerem im Fokus der Polizei. Hinweise auf konkrete Straftaten oder Anschlagspläne gab es jedoch nicht. Daher gab es auch keine Rechtsgrundlage, ihn in Deutschland dauerhaft festzusetzen.

Im September hatte die Bundesregierung die Terrororganisation IS in Deutschland verboten. Seit Wochen wird über weitere Möglichkeiten diskutiert, verstärkt gegen IS-Anhänger in Deutschland vorzugehen und zu verhindern, dass sie in Kampfgebiete aufbrechen. Die Innenminister aus Bund und Ländern einigten sich nun auf weitere Schritte. „Wir wollen nicht, dass der Terrorismus von Deutschland aus exportiert wird“, sagte de Maizière. „Wir fangen nicht bei null an.“ Es gebe aber noch einige Lücken, die zu schließen seien – wie etwa beim Personalausweis.

Damit die Behörden verdächtigen Islamisten den Ausweis abnehmen können, ist eine Änderung des Personalausweisgesetzes nötig. De Maizière kündigte an, dazu „unverzüglich“ einen Entwurf vorzulegen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) räumte ein, es werde nicht möglich sein, jeden an einer Ausreise zu hindern. Das Ziel sei aber, die Ausreise möglichst schwer zu machen. Die Ressortchefs sprachen sich auch dafür aus, den Informationsaustausch mit anderen EU-Ländern zu intensivieren.

Die Innenminister plädierten zugleich dafür, mehr für Prävention und „Deradikalisierung“ zu tun. Sie legten sich aber nicht auf konkrete Projekte oder finanzielle Zusagen fest. Über Details wollen sie bei der nächsten regulären Innenministerkonferenz im Dezember reden. Die Ressortchefs diskutieren auch über die Forderung aus den Unions-Reihen, Islamisten, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben und sich dem IS anschließen, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. De Maizière sagte, die Runde sei sich nicht einig geworden.

Die Grünen kritisierten, die Ergebnisse des Treffens seien mehr als enttäuschend. Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte, ein spezieller „Terroristen-Perso“ sei nicht nur unnötig, sondern sogar kontraproduktiv. Wer aufgefordert werde, seinen Ausweis abzugeben, werde wohl eher versuchen, möglichst schnell seine düsteren Pläne umzusetzen. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, es gebe keine Probleme mit dem geltenden Recht, sondern mit seiner Anwendung.

Die Gewerkschaft der Polizei dämpfte allerdings die Erwartungen an die Erfolgsaussichten verschärfter Ausweisbestimmungen. Auch damit werde man die Reisebewegungen potenzieller Straftäter nicht lückenlos steuern können, hieß es.