Job und Versorgung Angehöriger sollen besser vereinbar werden. 100 Millionen Euro Kosten pro Jahr

Berlin. Vom kommenden Jahr an soll es einfacher werden, Berufstätigkeit und Pflege miteinander zu verbinden. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) nannte in Berlin Einzelheiten zu dem „Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“, das am Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll. Danach wird es eine zehntägige bezahlte Pflege-Auszeit geben sowie die Möglichkeit, sechs Monate ganz und bis zu 24 Monate teilweise aus dem Job auszusteigen.

Die zehntägige Auszeit gibt es auch heute schon, es gibt aber kein Geld. Sie wird einmal je Pflegefall gewährt. Von 2015 an soll Schwesig zufolge bis zu 90 Prozent des Nettoeinkommens weitergezahlt werden, ähnlich wie beim Kinderkrankengeld. Die Mehrkosten werden von der Bundesregierung mit 100 Millionen Euro pro Jahr beziffert und von der Pflegeversicherung getragen. Jeder Arbeitgeber muss die Zehn-Tage-Auszeit sofort gewähren, zur Beantragung reicht eine ärztliche Bescheinigung. Schwesig rechnet damit, dass bis zu 40.000 Arbeitnehmer pro Jahr die Auszeit nutzen werden. Gegenwärtig sind es 10.000 pro Jahr.

Neu ist, dass Berufstätige die Möglichkeit erhalten, drei Monate zu Hause zu bleiben, um Sterbende zu begleiten oder sich ein halbes Jahr lang um schwerstkranke Kinder zu kümmern, die beispielsweise in einem Hospiz leben. Mit dem Gesetzentwurf ändert die Koalition außerdem Pflegezeit-Regelungen, die bisher kaum angenommen werden. Auch heute schon können Arbeitnehmer sechs Monate für eine Pflege zu Hause bleiben. Künftig können sie aber für den Lohnausfall ein zinsloses staatliches Darlehen erhalten. Auch die „Familienpflegezeit“ von bis zu 24 Monaten gibt es bereits. Bedingung ist die Fortführung der Berufstätigkeit als Teilzeitarbeit mit mindestens 15 Stunden in der Woche. Doch sind die Regelungen so kompliziert, dass sie bisher nur 130 Arbeitnehmer genutzt haben. Schwesig rechnet damit, dass im Jahr 2018 rund 7000 Menschen die Familienpflegezeit und rund 4000 ein zinsloses Darlehen beantragen werden.

Die Arbeitnehmer erhalten mit dem neuen Gesetz einen Rechtsanspruch auf Pflegezeiten. Auch das ist neu. Ausgenommen sind allerdings Betriebe mit 15 und weniger Beschäftigten. Sie wären mit der Organisation überfordert. Die zehntägige Pflege-Auszeit im Akutfall müssen aber auch die kleinen Betriebe gewähren.

Mit dem Gesetzentwurf wird der Kreis der Angehörigen erweitert, die eine Pflegezeit in Anspruch nehmen können, und zwar um Stiefeltern, Schwägerinnen und Schwäger sowie um homosexuelle Lebensgefährten, auch wenn diese nicht miteinander verheiratet sind. Familienmitglieder können sich die Pflege über viele Jahre aufteilen. So können beispielsweise mehrere berufstätige Geschwister die Pflege ihrer Mutter organisieren, indem sie jeweils bis zu 24 Monate im Beruf kürzertreten. Sie behalten den Anspruch auf ihre Vollzeitstelle und bleiben während der Pflegezeit sozialversichert.

In Deutschland gibt es 2,6 Millionen registrierte Pflegebedürftige, von denen gut eine Million von Angehörigen gepflegt wird. Schätzungen über die berufstätigen Pflegenden belaufen sich laut Familienministerium auf rund 400.000 Menschen. Ziel des Gesetzes sei, die Familien und die Wirtschaft zu entlasten. „Wenn wir nichts tun, wird es angesichts der demografischen Entwicklung deutlich teurer“, sagte Schwesig. Dann müssten Menschen ins Heim, oder die Wirtschaft müsse auf Fachkräfte verzichten, weil besonders Frauen Pflege und Job nicht miteinander vereinbaren können.