Chef der Christdemokraten im EU-Parlament fordert: Deutschland muss mehr investieren

Brüssel. Der Druck auf die Bundesregierung, vom strikten Sparkurs abzulassen, steigt nun erstmals auch aus den eigenen Reihen der Union. Der Fraktionschef der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), fordert mehr staatliche Investitionen – nicht nur in den europäischen Krisenländern, sondern explizit auch in der Bundesrepublik: „Auch für Deutschland gilt es jetzt zu überlegen, wie wir Wachstum fördern können. Das müssen wir im ureigenen Interesse tun“, sagte Weber.

Wenn Weber, Vorsitzender der größten Fraktion im Europäischen Parlament, sich für eine groß angelegte Investitionspolitik ausspricht, gewinnt der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einem seiner Kernanliegen einen Alliierten: „Wir müssen Wachstumspolitik zum großen europäischen Projekt machen“, sagte Weber. Er unterstützte damit Junckers Ankündigung, rasch ein 300 Milliarden Euro starkes Investitionsprogramm zu starten und schließt sich prominenten Stimmen an, die auf der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) eine Investitionspolitik in Europa und Deutschland forderten.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verliert damit merklich an Rückhalt in Brüssel für den unbedingten Vorrang des Defizitabbaus im Bundeshaushalt. „In Deutschland ist in den letzten Wochen deutlich geworden, dass die Wachstumsschwäche auch uns betreffen wird“, sagte Weber mit Blick auf die jüngste Eintrübung mehrerer wichtiger Konjunkturindikatoren. „Wir erleben zwar noch eine extreme Wohlfühlstimmung, aber die Zahlen für die deutsche Wirtschaft sind zumindest aufrüttelnd.“

Der Niederbayer Weber kommt aus konservativen Kernlanden, aber hat in seiner Aufgabe Europa im Blick. Er fürchtet sowohl ökonomische wie auch politische Konsequenzen, wenn das Wachstum im Süden ausbleibt – trotz der Reformen, deren Durchsetzung Weber zumindest den Programmländern zwischen Griechenland und Portugal zugesteht. „Da ist ein Stimulus notwendig. Die schlechte Wirtschaftslage in weiten Teilen der EU nimmt den ganzen Kontinent in die Verantwortung“, sagte Weber.

Dreierlei schwebt Weber vor, um Investitionen anzuregen. Europa müsse zunächst bereitgestellte Gelder auch einsetzen, bevor nach mehr Mitteln gerufen werde; ein Reflex, der in der vergangenen Woche erst wieder bei einem Mini-EU-Gipfel gegen Jugendarbeitslosigkeit zu beobachten war. „Staatliche Strukturen sind zu behäbig geworden, und das gilt für alle von der Kommission über die Regierungen der Mitgliedstaaten bis hin etwa zu Arbeitsämtern“, sagte Weber. „Dass wir Geld für eine Jugendgarantie oder auch aus Strukturmitteln bereitstellen, die großteils nicht abgerufen werden, muss aufhören.“

Zweitens müsse die EU den Binnenmarkt für Energie und Digitales – dafür ist der deutsche CDU-Kommissar Günther Oettinger künftig zuständig – vollenden. „Wo wir starke Global Player haben wie in der Autoindustrie, da liegt das auch am funktionierenden Binnenmarkt“, sagte Weber. „Im digitalen Bereich haben wir im Vergleich zu den große Telekom-Unternehmen in den USA und Asien lauter Zwerge, weil wir uns 28 Teilmärkte leisten und nicht einen großen. Das zu ändern ist unsere Aufgabe in Europa.“

Bis hierher kosten die Vorschläge weder den deutschen noch sonst einen Finanzminister zusätzliches Geld. Drittens aber forderte Weber: „Wir müssen Geld mobilisieren für mittelständische Betriebe und für wachstumsschwache Bereiche.“

Diese Forderung hat Auswirkungen vor allem auf die Europäische Investitionsbank EIB, die Förderbank der EU. „Das Problem der EIB ist bislang: Sie investiert in Projekte, die auch private Banken finanzieren können und würden. Dafür brauche ich aber keine öffentliche Bank. Es ist wichtig, dass sich die EIB mehr traut“, sagte Weber. Mehr Risiko einzugehen und damit den Verlust der Spitzenbewertung bei Rating-Agenturen in Kauf zu nehmen lehnt der deutsche EIB-Chef Werner Hoyer ab. Weber sieht die Priorität anderswo. „Die EIB muss in Risikobereiche gehen, Triple A ist wichtig, aber nicht das Wichtigste.“

Sein Bekenntnis zu einer Investitionspolitik hat seine Grenzen da, wo der Appetit der sozialistischen und sozialdemokratischen Regierungen in Frankreich und Italien erst beginnt. Von beiden Ländern erwartet Weber größere Sparanstrengungen. „Die Ansage an Frankreich und Italien ist sehr klar: Was bisher an Haushaltsplänen für 2015 auf dem Tisch liegt, reicht nicht“, sagte er. Beide Länder haben angekündigt, die EU-Vorgaben für die Defizitreduktion im kommenden Jahr zu überschreiten. Da ist Weber ganz auf Schäubles Seite: „Meine Erwartung wäre, dass auch Sigmar Gabriel deutliche Worte an François Hollande richtet und das nicht nur der Kanzlerin überlässt.“