Bei unangemeldeten Kurden-Protesten in Hamburg kam es auch zu Übergriffen auf Türken

Hamburg. Mit Protestaktionen und Besetzungen haben kurdische Demonstranten in vielen deutschen Städten auf die verzweifelte Lage in der umkämpften syrischen Grenzstadt Kobane aufmerksam gemacht. Allein in Norddeutschland gingen mehr als 1000 Menschen auf die Straße. Die spontanen Kundgebungen verliefen meist friedlich. In Hamburg und Celle kam es zu Ausschreitungen. Die islamistische Terrormiliz IS versucht derzeit, Kobane gegen den Widerstand kurdischer Kämpfer unter Kontrolle zu bringen.

Am späten Abend drohte die Lage im Hamburger Stadtteil St. Georg zu eskalieren. Vor einer Moschee am Kleinen Pulverteich, in der Islamisten vermutet wurden, standen 250 Kurden einem Großaufgebot der Polizei gegenüber. Einzelne Teilnehmer der Protestaktion rissen Gehwegplatten heraus und zerstückelten sie. In der Moschee sollen 100 Muslime gewesen sein.

Schon um 17.15 Uhr waren im Hamburger Hauptbahnhof rund 120 Kurden vom Bahnsteig auf das Gleis8 gesprungen und hatten die Schienen blockiert. Einige bewarfen die herbeigeeilten Bundespolizisten mit Steinen. Der Fernverkehr war fast eine Stunde lang lahmgelegt. Um 18.05 Uhr räumten die Demonstranten die Gleise. Die Polizei verzichtete darauf, ihre Personalien aufzunehmen. Doch damit nicht genug: Um 21 Uhr legte die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) den Zugverkehr bundesweit für neun Stunden lahm, auch die Hamburger S-Bahn.

Bereits am Montagabend hatten sich 200 Kurden und Sympathisanten, darunter auch Linksautonome, auf dem Rathausmarkt versammelt. Sie projizierten Nachrichtenbilder aus den umkämpften Krisenregionen an die Wand. Erst als die Polizei drohte, die nicht angemeldete Kundgebung zu beenden, verließen die Teilnehmer den Rathausmarkt und zogen zum Steindamm. Vor einem kurdischen Kulturverein löste sich die Versammlung auf. Vor und während der Veranstaltung auf dem Rathausmarkt kam es laut Polizei zu Übergriffen kurdischer Demonstranten auf türkischstämmige Hamburger.

Die Opfer der Übergriffe gaben gegenüber der Polizei an, von einer größeren Personengruppe angegriffen und bedroht worden zu sein. Am Steindamm wurde ein türkisches Lokal attackiert. Die Angreifer warfen die Außenbestuhlung gegen die Fensterscheiben und flüchteten. Auch mehrere Autos wurden demoliert. Die Polizei nahm 14 Menschen vorübergehend in Gewahrsam. Am Dienstag kamen dann zunächst 400 Menschen zu einer Demonstration vor dem Hauptbahnhof an der Kirchenallee zusammen und zogen über die Mönckebergstraße zum türkischen Generalkonsulat in Rotherbaum.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete von Altona, Matthias Bartke, und der Fachsprecher für Integration der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Kazim Abaci, sagten eine Reise in die Grenzregion ab. „Niemand weiß, was aus den Flüchtlingen wird, die dort leben. Es handelt sich um eine einzige große humanitäre Katastrophe“, sagte Abaci. Er wolle dennoch in der nächsten Woche in die Türkei reisen und sich über die Flüchtlingssituation informieren.

In Kiel bildeten rund 200 Menschen einen unangemeldeten Protestzug vom Hauptbahnhof zum Landesfunkhaus des NDR. Eine Massenschlägerei mit rund 100 Beteiligten musste die Polizei in Celle auflösen. Nach verbalen Auseinandersetzungen eskalierte der Streit, und Gruppen von Jesiden und Muslimen gingen aufeinander los. Fünf Menschen wurden verletzt, einer von ihnen schwer. Gegen die Beteiligten wird wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs ermittelt.