Noch mehr Misshandlungsfälle in deutschen Heimen. Auch Hamburgs Innenbehörde lässt sich angesichts der aktuellen Vorfälle über die Verträge von Wachleuten in Hamburger Asylbewerberheimen informieren.

Burbach. Ein Mann sitzt auf dem Boden neben einer Matratze, auf der Erbrochenes liegt. Er will sich nicht da drauflegen und klagt, warum man ihn schlage. Aus dem Hintergrund hört man jemanden schimpfen: „Soll ich dir in die Fresse treten, oder was? Leg dich hin und schlaf. Mach die Augen zu und halt’s Maul.“ Es sind schockierende Bilder, die aus der Asylunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach stammen.

Auf einem anderen Handyfoto liegt ein Mann bäuchlings auf dem Boden, seine Hände sind auf den Rücken gefesselt. Ein Wachmann stellt seinen Fuß auf den Kopf, einer anderer kniet daneben. Es sind Szenen wie in Abu Ghraib, dem berüchtigten US-Foltergefängnis im Irak. Doch die Quälerei ist in Deutschland geschehen, dort, wo die Flüchtlinge Schutz suchten.

Die Polizei hat Ermittlungen gegen vier beschuldigte Wachmänner wegen Körperverletzung aufgenommen und befragt einige Hundert Flüchtlinge. Die Missstände in Burbach und offenbar auch in einer Asylunterkunft in Essen haben eine Debatte über Zustände in den Anlaufstellen für Flüchtlinge ausgelöst, zumal die Anzahl der Ankömmlinge aus den Krisengebieten zunimmt.

In Essen gaben Flüchtlinge laut Polizei an, nach Streitigkeiten geschlagen worden zu sein. „Sie behandeln uns wie Tiere“, sagt Dendawi Reda aus Algerien. Zusammen mit rund 500 Flüchtlingen lebt er in einer Notunterkunft in Essen, die das Land in einem ehemaligen Krankenhaus eingerichtet hat. „In den letzten 14 Tagen sind bei uns drei Anzeigen eingegangen“, sagte ein Sprecher der Essener Polizei. Die Bundesregierung forderte eine umfassende Aufklärung. „Es ist vollkommen klar, diese Vorgänge müssen rasch und sie müssen gründlich aufgeklärt werden“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wenn es sich bestätige, dass in diesen Einrichtungen Flüchtlinge misshandelt wurden, wären das „widerwärtige Taten“. Dann müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch Hamburgs Innenbehörde lässt sich angesichts der aktuellen Vorfälle über die Verträge von Wachleuten in Hamburger Asylbewerberheimen informieren. Das städtische Unternehmen Fördern&Wohnen betreibt die Unterkünfte und heuert externe Dienste an. Die Innenbehörde prüfe nun die Voraussetzungen zur Einstellung sowie die Bedingungen für Kündigungen bei privaten Sicherheitsdiensten. Im vergangenen Herbst hatte es Übergriffe und Drohungen gegen Flüchtlinge aus Syrien von vier Mitarbeitern des Wachdienstes in der Unterkunft an der Schnackenburgallee in Bahrenfeld gegeben. Die Polizei hatte in drei Fällen wegen Körperverletzung ermittelt.

Aus Nordrhein-Westfalen wurde nun ein weiterer Fall bekannt: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sollen zwei Männer eines anderen Wachdienstes ebenfalls einen Bewohner verletzt haben. Gegen sie wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der Vorfall habe sich vor zwei Wochen in Bad Berleburg ereignet.

„Wenn in Flüchtlingslagern zwei Wochen lang durch einen privaten Sicherheitsdienst gefoltert wird, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht“, erklärte Günter Burkhardt von Pro Asyl. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach von „ungeheuerlichen Vorkommnissen“, die „auf dramatische Weise einen dunklen Schatten auf die Vergabepolitik der öffentlichen Hand an private Firmen“ werfen würden.

Die für die Flüchtlingsunterkunft zuständige Bezirksregierung reagierte mit Auflagen für das Betreiberunternehmen European Homecare GmbH, das seit Sonnabend einen neuen Wachdienst engagiert hat. „Wer Kriminelle beschäftigt, die Gewalt gegen Asylbewerber ausüben und sie drangsalieren, fliegt raus“, sagte der Arnsberger Regierungspräsident Gerd Bollermann (SPD). Zudem gelte seit dem Wochenende ein umfassendes Auflagenpaket für European Homecare. Es dürften in Zukunft nur noch geprüfte Sicherheitskräfte beschäftigt werden, die ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen können und keine Vorstrafen wegen Delikten wie Körperverletzung oder Sexualstraftaten haben.

Die European Homecare GmbH, die nach eigenen Angaben bundesweit rund 40 Asylunterkünfte in staatlichem Auftrag betreibt, reagierte geschockt. „Wir sind alle fassungslos“, erklärte eine Pressesprecherin.

Flüchtlingsorganisationen klagen seit Längerem über ein aggressives Auftreten von Wachdiensten. In einer Studie, die der Förderverein Pro Asyl vor einem Monat herausgegeben hat, wird davor gewarnt. Sie kritisiert nicht nur grundsätzlich den Verlust der Privatsphäre und die Folgen der „Lagerunterbringung für die Flüchtlinge“. Es fehlten gesetzliche Mindeststandards in NRW, Bremen, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. „Die Kollegen in den Wachdiensten sind häufig nicht genug qualifiziert“, sagt Jürgen Stahl, Fachgruppenleiter Wach und Sicherheit der Gewerkschaft Ver.di. „In der Regel sind es kurze Einweisungskurse.“