Bei den Sondierungen für eine Koalition sind Sozialdemokraten das größte Problem

Erfurt. Unregierbar!? Das böse Wort schwingt immer mit, wenn sich Thüringer Landespolitiker von CDU, Linke, SPD und Grüne dieser Tage treffen, um Chancen für eine künftige Regierung auszuloten. Zwei Wochen nach der Landtagswahl ist noch unklar, in welche Richtung es gehen könnte. Schwarz-Rot wie bisher mit Christine Lieberknecht (CDU) als Ministerpräsidentin ist eine Variante, gern mit den Grünen als Verstärkung. Oder ein Novum in der deutschen Politik – Rot-Rot-Grün mit Bodo Ramelow als erstem Ministerpräsidenten der Linken.

Seit dem Wahlabend wird unter Politikern und Abgeordneten in Thüringen spekuliert, ob Lieberknecht oder Ramelow bei der Ministerpräsidentenwahl im Landtag mit mehr Abtrünnigen rechnen muss. Denn beide Konstellationen – das Dreierbündnis mit der Linken an der Spitze oder Schwarz-Rot mit der Erfahrung von fünf Jahren Streiterei – haben nur eine Stimme Mehrheit. Bei dieser Konstellation schrillen in Thüringen die Alarmglocken: 2009, beim Start von Schwarz-Rot, war Lieberknecht bei der Wahl zur Regierungschefin zweimal mit 44 Stimmen durchgefallen, obwohl CDU und SPD über 48 der 88 Mandate verfügten. Gewählt wurde sie erst im dritten Durchgang.

„Unsere Wähler und unsere Mitglieder sind gespalten“, sagt eine SPD-Frau

Aber auch für Ramelow als Chef von Rot-Rot-Grün könnte es knapp werden. Denn in der SPD hat die Rolle als Juniorpartner der Linken traditionell Gegner – gerade warnte SPD-Wirtschaftsminister Uwe Höhn davor. Eine Sozialdemokratin aus der Führungsriege stöhnt: „Es ist immer das gleiche Dilemma: Unsere Wähler und unsere Mitglieder sind gespalten, 50 Prozent dafür und 50 Prozent dagegen.“

Hinzu kommt, dass die auf 12,4 Prozent gestürzte SPD gar nicht so recht regieren will. „Sechs Prozent minus – das wäre eigentlich ein Ergebnis, um in die Opposition zu gehen“, sagt der neue starke Mann. Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein soll am 25. Oktober zum Parteichef gekürt werden. Bisher galt er als Freund von Rot-Rot. Davon lässt er sich nach den Sondierungsrunden nichts anmerken: „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Rot bekommen, steht 50 zu 50.“

Signale kommen aber von Lieberknecht, von Ramelow und von Grünen-Fraktionschefin Anja Siegesmund. Für sie hat „Rot-Rot-Grün absolute Priorität“ – trotz der Avancen der CDU an die Grünen. Lieberknecht entschuldigt sich sogar beim Noch-Koalitionspartner SPD für Rempeleien im Wahlkampf: „Es sind auch Verletzungen passiert, wo ich persönlich sage, das tut mir leid.“ Und die linken Sondierer um Ramelow erklären die DDR zum Unrechtsstaat. Darauf hatten Grüne und SPD gepocht.