Wirtschaftsminister Gabriel kündigt an, umstrittene Schutzklauseln in Freihandelsabkommen mit USA noch zu stoppen

Berlin/Brüssel . Deutschland will umstrittene Schutzklauseln für Konzerne im Handelsabkommen Ceta der EU mit Kanada in letzter Minute stoppen. Die Grünen hatten das schon seit Langem gefordert. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte am Donnerstag im Bundestag: „Es ist völlig klar, dass wir diese Investitionsschutz-Regeln ablehnen.“ Der Handlungsspielraum des Parlaments müsse komplett gewahrt bleiben. Es dürfe keine Doppelstandards geben, die ausländische Investoren besserstellten als deutsche Firmen. Schon an diesem Freitag soll aber der Abschluss der Ceta-Gespräche beim EU-Kanada-Gipfel in Ottawa verkündet werden.

Einen Abbruch der Verhandlungen mit Kanada – die als Blaupause für das viel größere Abkommen TTIP der EU mit den USA gelten – lehnte Gabriel ab. Man sollte jetzt nicht Ceta „in den Orkus werfen“, sondern noch Korrekturen durchsetzen. Millionen Arbeitnehmer in der deutschen Industrie und Dienstleistungsbranche seien auf einen freien Welthandel angewiesen.

Bereits an diesem Freitag wollen Kanada und die EU bei einem Gipfel im kanadischen Ottawa den Abschluss der Ceta-Verhandlungen verkünden. Umstritten zwischen Brüssel und Berlin ist, ob später auch der Bundestag und die übrigen 27 nationalen Parlamente noch zustimmen müssen. Ceta gilt als Muster für das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, das 2015 fertig sein soll.

Die noch amtierende EU-Kommission will von Nachverhandlungen jedoch nichts wissen. „Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot“, sagte Handelskommissar Karel De Gucht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Gabriel zeigte sich von den Warnungen des scheidenden Kommissars unbeeindruckt: „Der ist auf dem Weg in die Rente.“

Die Bundesregierung will weitere EU-Länder überzeugen, den 1500 Seiten starken Vertrag noch mal zu bearbeiten. Das Kapitel zum Investitionsschutz sei in der vorliegenden Fassung für Deutschland nicht zustimmungsfähig, unterstrich Gabriel. Schiedsgerichte, vor denen ausländische Unternehmen Staaten verklagen könnten, seien zwischen demokratischen Rechtsstaaten überflüssig. Linke und Grüne haben die schwarz-rote Bundesregierung aber im Verdacht, nicht entschlossen genug gegen die geplanten Sonderrechte für Konzerne zu kämpfen. Auch seien die hohen europäischen Standards bei Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz durch die angepeilten Verträge mit Kanada und den USA in Gefahr, warnen sie. Gabriel sei zwischen Wirtschaftsinteressen und dem linken Flügel seiner SPD eingeklemmt: „Sie haben sich für einen Eiertanz entschieden“, meinte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Die Linke wollte am Donnerstag versuchen, die mitregierende SPD vorzuführen. Der Bundestag sollte über Anträge abstimmen, die jene „roten Linien“ aufgreifen, die von der SPD zuvor auf einem kleinen Parteitag bei TTIP aufgestellt worden waren. Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst unterstellte Gabriel, sein Widerstand gegen die Schutzklauseln sei nur Show.

Gabriel ließ das nicht auf sich sitzen. Er warf der Linken vor, auf billige Mätzchen zu setzen und keinen Mumm für eine inhaltliche Debatte zu haben. Die Linken wollten Deutschland abschotten, die Bürger gegen Europa und freien Welthandel aufwiegeln: „Sie sind eine richtige Jobkiller-Partei in Deutschland.“ Hinter den Kulissen mache die Linkspartei gemeinsame Sache mit der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD).

CDU-Generalsekretär Peter Tauber erklärte, die Bundesregierung werde darauf achten, dass Ceta und TTIP nicht zu einem schlechteren Umweltund Verbraucherschutz in Europa führten: „Natürlich wollen wir keine Standards preisgeben.“

Bereits seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP). Mit 800 Millionen Verbrauchern würde der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und anderen Handelshemmnissen soll es auf beiden Seiten des Atlantiks mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze geben. Täglich werden zwischen Europa und den USA Waren und Dienstleistungen im Wert von zwei Milliarden Euro gehandelt. Verbraucherschützer kritisieren die Geheimverhandlungen von Brüssel und Washington, ebenso wie die Schutzklauseln für Konzerne.

Die Befürworter des Abkommens hoffen auf einen Wirtschaftsschub. Europaweit könnten zwei Millionen Arbeitskräfte entstehen, hat zum Beispiel die Bertelsmann-Stiftung ausgerechnet. Die verstärkte Nachfrage könnte den Reallohn allein in Deutschland um 1,6 Prozent steigern, meint der Außenhandelsverband. Vor allem die deutsche Autoindustrie könnte von mehr Freizügigkeit profitieren. Gut ein Viertel der Ausfuhren in die Vereinigten Staaten sind Fahrzeuge oder deren Ersatzteile. Auch Preissenkungen für Verbraucher werden erwartet, wenn Zollabgaben wegfallen. So sollen Arzneimittel, die nach Tests in den USA zugelassen werden, auch in Europa verkauft werden können, ohne ein zusätzliches Prüfungsverfahren. Umstritten ist aber, ob es zu einer gegenseitigen Anerkennung bei Medikamenten kommt.