Der Sozialdemokrat Dietmar Woidke wird die Landesregierung weiter führen – ob wie bisher mit der Linkspartei oder mit der CDU lässt er offen

Potsdam. Der Sekt war bei der Wahlparty der SPD im Potsdam Museum am Alten Markt schon kaltgestellt. Schon lange war klar, dass es etwas zu feiern geben würde. Der Saal füllte sich spät, aber schließlich war der Jubel bei den Prognosen groß: Stolz sind sie auf Dietmar Woidke, den alten und neuen Ministerpräsidenten. Ob Woidke die Koalition mit seiner bisherigen Juniorpartnerin, der Linken, fortsetzt oder doch noch überraschend auf die CDU setzt, ist da erst mal Nebensache.

Für Woidke, 52, bedeutet die erfolgreiche Wahl mehr als einen politischen Sieg. Er hat sich endgültig vom „Übervater“ Matthias Platzeck gelöst, seinem populären Vorgänger, der elf Jahre lang das Land regierte und sich nach einem Schlaganfall vor einem Jahr zurückgezogen hatte. Woidke ist jetzt nicht mehr der Mann, den Platzeck damals vom Innenminister zum Nachfolger machte, sondern ein von den Brandenburgern gewählter Ministerpräsident. Die SPD hat unter ihm ihr Ergebnis von 2009 in etwa halten können. Die Herrschaft der Sozialdemokratie in der Mark geht in eine neue Legislatur.

Anders sieht es bei der Linkspartei aus. Wo immer sie mitregiert und Realpolitik statt Radikalopposition betreibt, verliert sie an Zuspruch. Als Juniorpartnerin hat sie den Plänen zur weiteren Braunkohleförderung zugestimmt, gegen die sie früher gekämpft hatte. Das hat sie unter den Gegnern der Braunkohle viele Sympathien gekostet. Im Vergleich zu 2009 hat sie deutlich eingebüßt. In der Linken spricht man vom Ziel, bis zum Jahr 2040 aus der Braunkohle auszusteigen. Das ist ein Versuch, die Kritiker zu beschwichtigen, aber letztlich auch eine politische Variante des Prinzips „Nach mir die Sintflut“.

Die lange von Intrigen gebeutelte CDU hat es unter ihrem relativ unbekannten Spitzenkandidaten Michael Schierack, einem Arzt, nicht geschafft, die SPD spürbar anzugreifen. Mit dem von Schierack mühsam durchgesetzten Burgfrieden in der Partei dürfte es bald wieder vorbei sein. Es fehlt eine Integrationsfigur wie einst Innenminister Jörg Schönbohm – jemand also, der in der Lage wäre, die Partei zu befrieden und nach außen als potenziell soliden Regierungspartner aufzustellen.

Es ist denn auch weniger die CDU, die Woidke in der neuen Amtszeit Kopfschmerzen bereiten dürfte, als die Alternative für Deutschland (AfD). Diese schaffte am Sonntag erstmals den Sprung in den Potsdamer Landtag. In den Umfragen hatte sie bei neun Prozent gelegen, mehr als Grüne und FDP zusammen. Letztere wird dem Landtag nicht mehr angehören – trotz eines verzweifelten Wahlkampfs, indem sie mit pseudolustigen Sprüchen („Keine Sau braucht die FDP“) warb. Die AfD hatte im Wahlkampf mit Ostalgie, Polemiken gegen Ausländer, Verständnis für Russlands Ukraine-Politik und der Forderung nach dem Abriss des Chaos-Flughafens BER geworben. Dass ihr Spitzenkandidat Alexander Gauland kurz vor der Wahl dem russischen Botschafter in Berlin einen Besuch abstattete, hatte für Aufsehen und Kritik gesorgt.

Vom Debakel am neuen Hauptstadt-Flughafen BER konnte Dietmar Woidke bislang Abstand halten. Die Baustelle kostet den Steuerzahler monatlich geschätzt zwischen 20 und 40 Millionen Euro. Nach seiner Wahl im August 2013 hatte sich Woidke deshalb vorsichtshalber nicht in den Aufsichtsrat des Flughafens berufen lassen. Eine weitere Legislatur wird er diese distanzierte Haltung jedoch nicht durchhalten können. Auch der Kampf gegen die Grenzkriminalität, unter der Brandenburg als Bundesland mit der längsten Grenze zu Polen leidet, wird eines der großen Themen seiner neuen Amtszeit.

Woidke kann darauf bauen, dass Brandenburg im Herzen SPD-Land ist. Seit 1990 regiert die Partei, durch alle Skandale und Skandälchen hindurch. Erst in einer „Ampel“ mit Grünen und FDP, dann allein, danach mit der CDU und seit 2009 mit der Linken. Geräuscharm läuft das Politikgeschäft in Potsdam, das Flirrige, Lärmende, wie es im benachbarten Berlin üblich ist, ist dem Brandenburger zuwider.

Daran hat Woidke sich orientiert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger ist er kein intellektueller Charismatiker und kein Umarmer-Typ. Die großen symbolischen Gesten sind seine Sache nicht. Ein Mann des Volkes ist er dennoch. War Platzeck ein Potsdamer mit Leib und Seele, so ist Woidke ein Mann vom Land. Wann immer er kann, fährt er nach Forst.

Nicht nur in der 19.000-Einwohner-Stadt am südöstlichsten Zipfel des Landes verbindet man mit Woidke die Hoffnung, dass es wieder aufwärts geht. Woidkes bisherige Bilanz als Ministerpräsident ist vorzeigbar: keine Neuverschuldung seit 2011, Arbeitslosigkeit auf neun Prozent gesunken, mehr Geld für Kitas und Lehrer.

Dennoch werfen Kritiker Rot-Rot vor, sich erst gegen Ende der Legislaturperiode um mehr Lehrer und Polizisten gekümmert zu haben: Die Zahl der unaufgeklärten Einbrüche ist immer noch hoch; die rot-rote Polizeireform hat nichts daran geändert, dass man im Schnitt nach einem Notruf immer noch fast eine halbe Stunde auf einen Streifenwagen warten muss. Auch hat das Land noch immer einen Schuldenberg von über 18 Milliarden Euro, mehr als 7500 Euro pro Einwohner.

Egal in welcher Konstellation: Woidke wird einen strikten Sparkurs fahren müssen. Vier Wochen vor der Wahl hatte er eine Koalitionsaussage gemacht. „Aus der Erfahrung der aktuellen Regierungsarbeit gibt es keinen Grund, die Pferde zu wechseln“, sagte er.

Nach dem Wahlsieg seiner Partei ließ er offen, mit wem er künftig regieren will. „Ich habe heute schon beiden Sondierungsgespräche angeboten“, sagte Woidke mit Blick auf die Linke und die CDU. „Meine Einladung steht“, sagte Woidke. „Ich freu mich ohne Ende.“