CDU wie Linke in Erfurt werden versuchen, nach ihren guten Ergebnissen Bündnisse zu schmieden. Ob es am Ende für die Regierung reicht, ist offen

Erfurt. Der Sieger der Landtagswahl in Thüringen stand schnell fest: Die CDU legte so deutlich wie keine andere Partei zu und landete bei klar über 30 Prozent der Stimmen. Eigentlich ein klarer Regierungsauftrag für Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Nach den ersten Hochrechnungen sah es auch so aus, als könnte es für die Fortsetzung der Großen Koalition reichen – auch wenn die SPD dramatische Verluste hinnehmen musste. Sie verlor mehr als die FDP, die nicht wieder im Thüringer Landtag vertreten ist.

Diese Ergebnisse sprachen eigentlich eine deutliche Sprache. Und doch blieb am Wahlabend zunächst alles offen. Denn auch die Linkspartei feierte sich als Sieger, weil sie ihr gutes Ergebnis der letzten Wahl noch leicht verbessern konnte und wieder zweitstärkste Kraft wurde. Sie macht sich noch Hoffnungen, in Thüringen Geschichte zu schreiben und den ersten linken Regierungschef eines Bundeslandes zu stellen. Spitzenkandidat und Lieberknecht-Herausforderer Bodo Ramelow gab sich bei seiner Wahlparty im Erfurter Palmenhaus zurückhaltend optimistisch: „Wir werden erst heute Nacht wissen, ob es für Rot-Rot-Grün reicht.“

Für Ramelow hätte der Wahlsonntag der Tag seines größten Triumphs werden sollen. Bei den vergangenen beiden Landtagswahlen in den Jahren 2004 und 2009 war er als Spitzenkandidat noch mit dem Versuch gescheitert, in die Thüringer Staatskanzlei einzuziehen. Jetzt, im dritten Anlauf, hatten sich zumindest in den Umfragen reelle Chancen abgezeichnet. Die Macht schien zum Greifen nahe. Mit den Spitzenkandidatinnen von SPD und Grünen, Heike Taubert und Anja Siegesmund, hatte sich Ramelow in den vergangenen Monaten mehrfach getroffen und über Inhalte gesprochen. Doch es kam anders.

In den Umfragen lieferten sich Lieberknecht und Ramelow mit ihren Koalitionsoptionen, Schwarz-Rot und Rot-Rot-Grün, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Früh zeichnete sich ab, dass es für ein rot-rotes Bündnis von Linkspartei und SPD keine Mehrheit geben würde. Die Demoskopen sahen die SPD gleichwohl in einer Schlüsselrolle, also in der Lage, zwischen einer Koalition mit der CDU oder einem Bündnis mit Linkspartei und Grünen entscheiden zu können.

SPD-Spitzenkandidatin Taubert war ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf gezogen. Auf Fragen nach dem bevorzugten Bündnis hatte sie stets ausweichend geantwortet. Für diese Haltung, sich alle Machtoptionen offenzuhalten, ist die SPD aber offensichtlich abgestraft worden. Der Thüringer SPD-Landesgeschäftsführer René Lindenberg nahm Taubert angesichts der herben Wahlniederlage in Schutz. Sie habe „einen guten Job“ gemacht, sagte er. Taubert sagte nach den ersten Hochrechnungen selbstkritisch: „Wir haben die Landtagswahlen hinter uns, und wir müssen feststellen, wir haben ein richtig schlechtes Ergebnis.“ Nach Ansicht von SPD-Landeschef Christoph Matschie war der Wahlkampf auf das Duell Ramelow/Lieberknecht zugespitzt. Die fehlende Koalitionsaussage sei nicht der Grund für das „ganz schwierige Ergebnis für die SPD“. Es ist das schlechteste Wahlergebnis der SPD in Thüringen seit der Wiedervereinigung.

Aber auch die Grünen konnten ihre Hoffnungen, sich deutlich zu verbessern, nicht erfüllen und blieben noch hinter dem Ergebnis von 2009 zurück. Der Alternative für Deutschland (AfD) dagegen gelang, wie vor zwei Wochen in Sachsen, auch in Thüringen der Einzug in den Landtag – sie wurde auf Anhieb fast so stark wie die SPD. Der AfD-Spitzenkandidat bei der Thüringen-Wahl, Björn Höcke, sieht seine Partei klar auf Erfolgskurs. „Ich denke, das ist wirklich eine historische Phase, die wir hier erleben“, sagte er am Sonntag. Die Analyse der Wählerwanderung aus Sachsen habe gezeigt, dass die AfD aus allen Parteien Zuspruch bekommen habe, für eine Aussage zu Thüringen sei es noch zu früh.

Eine ausgeprägte Wechselstimmung aber war im Wahlkampf nicht zu spüren gewesen. Und so kündigte die CDU bereits Sondierungen mit den Sozialdemokraten an. Ein Gesprächsangebot wollen die Christdemokraten schon heute machen. Ministerpräsidentin Lieberknecht setzt auf die SPD – eine Alternative hat sie eigentlich nicht, nach ihrer eindeutigen Absage im Wahlkampf an die erneut triumphierende AfD. „Keine Koalition mit der AfD“, hatte Lieberknecht erklärt. Am Wahlabend hält sich die 56 Jahre alte Pfarrerin bei Koalitionsaussagen auffallend zurück.

Auch wenn in der schwarz-roten Koalition immer wieder heftig gestritten worden ist, so kann sie für Thüringen doch Erfolge vorweisen. So hat das Land die niedrigste Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern. Thüringen gibt im bundesweiten Vergleich mit 7800 Euro pro Schüler das meiste Geld für seine Schulen aus. Und erstmals seit 17 Jahren ist das Land so attraktiv, dass mehr Menschen nach Thüringen zurückkehren als wegziehen.

Trotz solcher positiven Entwicklungen und unabhängig davon, welche Koalition in den kommenden fünf Jahren in Thüringen regiert, wird eine der dringendsten Aufgaben die weitere Haushaltskonsolidierung sein. Das Land macht zwar keine neue Schulden, kommt aber mit dem Abbau der Altschulden noch nicht wie andere Länder voran. Vor allem die Kommunen in Thüringen leiden unter Finanzproblemen. Jede fünfte Gemeinde – das sind 170 – hat keinen genehmigten Haushalt und steht unter Zwangsverwaltung des Landes. Die Pleite der Stadtwerke Gera hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.