Innenminister de Maizière über die neue Kraft. „Alternative“ wird Gefahr für CDU und FDP

Berlin. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist im Aufwind. Aus allen Lagern laufen ihr Wähler zu. In die Landtage in Erfurt zieht sie auf Anhieb ein – jeder achte bis zehnte Wähler gab ihr am Sonntag seine Stimme. Die Partei gilt als bürgerlich und national-konservativ. Die Union hat sie lange ignoriert und hofft, dass die Euro-Skeptiker sich selbst entzaubern. Die FDP fühlt sich nicht herausgefordert. Wir haben vier bürgerliche Politiker nach der AfD befragt: FDP-Chef Christian Lindner, CDU-Generalsekretär Peter Tauber, JU-Chef Philipp Mißfelder, Innenminister Thomas de Maizière (CDU).

Die Heimatbewegung

Über die „Einstellungsstruktur“ der AfD-Wähler sei „wenig bekannt“, schrieb die Konrad-Adenauer-Stiftung zuletzt nach der Sachsen-Wahl. Aus Umfragen weiß man, dass ihre Anhänger zu 77 Prozent anderen Parteien einen Denkzettel verpassen wollen und zu 89 Prozent glauben, die AfD spreche Themen an, die andere vernachlässigen. „Die leben von ihrer Andersartigkeit, vom Protest“, meint Tauber. 77 Prozent ihrer Wähler kämen nicht von der CDU, sondern von woanders, „von den Linken, über die SPD, die Piratenpartei bis zur Tierschutzpartei sind alle dabei“. Für Mißfelder hat die AfD zwei Gesichter: Im Osten sei sie Protestpartei, im Westen wolle sie eine Ersatz-FDP werden. Mit „Protest“ seien die Motive der Wähler nicht umfassend genug beschrieben, wendet de Maizière ein. „Sie sehnen sich nach Heimat, vertrauten Strukturen. Es ist eine Sehnsucht nach einer heilen Welt.“

Der Seriositätstest

Für Lindner ist die AfD eine Partei, „die noch nicht zu einem Programm geronnen ist“. Mißfelder fühlt sich an die Gründerjahre der Grünen erinnert. Wie die Grünen damals habe die AfD Narrenfreiheit: „Viele Wähler ignorieren die Machtkämpfe und Richtungsstreitigkeiten.“ Union wie FDP hoffen, dass die AfD – einmal in den Parlamenten – den Seriositätstest nicht besteht. Ganz zu schweigen vom AfD-Spagat, den Tauber so beschreibt: „Ob jemand, der links steht, rechten Parolen folgt? Und ob die, die rechts wählen, die Verharmlosung der DDR gut finden?“

Die CDU ist schon weiter

Die AfD habe zum Teil wortgleich Positionen übernommen, die früher im CDU-Programm standen, erzählt Mißfelder. Nur: „Die CDU hat sich weiterentwickelt. Sie ist in die Mitte gegangen.“ Der Modernisierungskurs sei erfolgreich gewesen, habe aber dazu beigetragen, „dass es rechts von der Union Unzufriedenheit gibt“. Mit einer Konservatismus-Debatte käme man jetzt nicht weiter, ist de Maizière überzeugt. Man müsse wohl aber Politik besser erklären. Der Berliner Betrieb sei in einer Art und Weise aufgeregt, „die mit dem Alltag der Menschen wenig zu tun hat. Sie koppeln sich dann ab.“ Es gebe eine innere, eine Art stiller Emigration aus dem politischen Gemeinwesen. Viele AfD-Wähler hätten ein Problem im Umgang mit der modernen Welt, so der Innenminister. „Das kann ihnen aber niemand ersparen.“

Nerven bewahren

Ob die Liberalen besonders gefordert sind? „Ehrlich gesagt: nein“, sagt Lindner. Die meisten Wähler hätte die FDP an Union und SPD verloren. Dort ist für ihn mehr zu holen. Seine Devise lautete von Anfang an: „Wir gehen keinen Zentimeter Richtung Euro-Hasser.“ Man dürfe die AfD nicht „künstlich aufwerten“, aber müsse sehen, „wo sie uns inhaltlich Wähler abgreift“, so CDU-Mann Tauber. Wenn die AfD etwa die Grenzkriminalität thematisiere, müsse die CDU klarmachen, dass sie als Regierungspartei Lösungen biete.

Die Machtfrage

Ein Ersatz für die FDP ist die AfD nicht. Mit ihr will die CDU „definitiv nicht“ (Tauber) zusammenarbeiten. Schon wegen der Euro-Frage. Sollte sich die AfD bei der Bundestagswahl 2017 zulasten von Union und Liberalen etablieren, „ist die Gefahr groß, dass es keine bürgerlichen Regierungen mehr gibt“, analysiert Lindner. Das scheint die FDP mehr umzutreiben als die Union. Es ist nicht zu erwarten, dass die CDU nach den Wahlen in Thüringen und Brandenburg sich aggressiver mit der AfD auseinandersetzen wird. „Wir sollten uns auch nicht aus der Ruhe bringen lassen“, meint Mißfelder.