Empörung über die „Scharia-Polizei“ in Wuppertal. Regierung kündigt hartes Vorgehen gegen die selbst ernannten Sittenwächter der Salafisten an

Wuppertal. Wer bei den Salafisten mitmachen will, darf keinen Kuschelgott erwarten. Diese Botschaft bellt der Eiferer Pierre Vogel gern ins Mikrofon, wenn er über die Dörfer zieht und für die „perfekte Scharia“ wirbt. Deutschlands bekanntester Islam-Konvertit war früher mal Profiboxer und mag die klare Ansage: Der Chef, also Gott, habe das Universum schließlich geschaffen, „also hat er auch das Recht zu bestimmen, was du zu tun und zu lassen hast“. Ergo: Alkohol verboten. Glücksspiel verboten. Keine Musik. Keine Pornos. So einfach ist das im Universum des selbst ernannten Predigers „Abu Hamza“.

Auch in der Darul Arqam Moschee in Wuppertal hatte sich Pierre Vogel schon des Öfteren über seine Ansichten zu Alkohol, Spiel und Pornos ausgelassen. Von der in einem wenig anheimelnden, tristen Gewerbehinterhof gelegenen Moschee aus soll die obskure Shariah Police in der Nacht zum Donnerstag ihre Patrouillen gestartet haben. Elf Männer waren mit „Shariah Police“-Warnwesten durchs Wuppertaler Zentrum gezogen, hatten junge Muslime ins Gebet genommen, um sie von Discos, Spielhöllen oder Kneipen fernzuhalten. Ein Video davon hatten die Moralwächter umgehend ins Netz gestellt. Zu sehen ist, wie der Chef der Truppe, der 33-jährige Sven Lau, Visitenkarten verteilt oder in Spielhallen auslegt, wie er auf Leute einredet und Einladungen ausspricht für einen Besuch bei Darul Arqam.

Die Aktion löste ein großes Echo in der Politik, bei Behörden und vielen Bürgern aus. Die Bundesregierung will das Auftreten selbst ernannter radikalislamischer Sittenwächter als „Scharia-Polizei“ in Deutschland nicht hinnehmen. „Die Scharia wird auf deutschem Boden nicht geduldet. Niemand darf sich anmaßen, den guten Namen der deutschen Polizei zu missbrauchen“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) der „Bild“-Zeitung. Sein Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD), ordnete am Sonnabend an, Westen mit dem „Shariah Police“-Aufdruck sofort sicherzustellen, sollten die Islamisten damit erneut in der Öffentlichkeit auftauchen.

Auch die Darul-Arqam-Moschee wies den Salafismus-Vorwurf empört zurück. Offiziell bekennt sie sich auch nicht zu den Patrouillen der selbst ernannten Sittenpolizisten. Doch mittlerweile ist klar: Die Aktion sollte in erster Linie Werbung machen für einen sittenstreng gelebten Islam – und für die Darul-Arqam-Moschee, die offiziell gar kein Gotteshaus ist und von Polizei und Verfassungsschutz als möglicher Salafisten-Treff und Schulungszentrum überwacht wird. Der Verfassungsschutz schätzt, dass es allein in Nordrhein-Westfalen an die 1800 Salafisten gibt.

Sven Lau, der die nächtliche Aktion anführte, ist ein ehemaliger Feuerwehrmann und wie sein Kumpel Pierre Vogel ein Islamkonvertit. Der radikale Islamist hatte einst den mittlerweile aufgelösten Salafistenverein „Einladung zum Paradies“ geleitet, saß monatelang in Untersuchungshaft, weil er versucht haben soll, Deutsche zur militärischen Ausbildung im Nahen Osten anzuwerben. Die Anklage musste fallen gelassen werden, weil die Beweise zu vage waren. Doch der Wuppertaler Integrationsbeauftragte Jürgen Lemmer fürchtet, dass Lau weiterhin den extremistischen Nachwuchs im Blick hat, wenn er jetzt als „Scharia-Polizist“ durch Wuppertal zieht.

Beide, Lau und Vogel, hatten bei der Eröffnung der Wuppertaler Moschee im Mai gesprochen und für großen Andrang in der 100 Quadratmeter großen Hinterhofetage gesorgt. Doch dann, so glaubt Lemmer, habe die Zugkraft des karg eingerichteten Treffs rapide nachgelassen. Womöglich stießen die strengen Ansichten der selbst ernannten Sittenwächter doch einigen Gästen bitter auf. Obwohl Sven Lau selbst offenbar gar nicht in Wuppertal wohnt, sann er nach einem Weg, ohne viel Aufwand Werbung für Darul Arqam zu machen. Das ist ihm gelungen.

Auch ein 19-Jähriger ist der Lockung offenbar gefolgt. Er kommt gerade aus der Moschee und will einen Zusammenhang mit dem nächtlichen Einsatz der „Scharia-Polizei“ nicht so recht zugeben. Auch seinen Namen nennt er nicht. Er habe „nur schnell beten“ wollen und sei eben dieses Mal in die Klophausstraße gekommen, einen Kumpel im Schlepptau. Mit Sven Laus Tour durch das Wuppertaler Zentrum habe das nichts zu tun.

Der 19-Jährige ist schick zurechtgemacht in schwarzer Jeans, engem weißen Hemd, Basecap, dickem Gürtel und trägt einen sorgfältig gestutzten Bart. Er und sein Freund haben das Video der Warnwesten-Truppe allerdings gesehen, das geben sie zu. Um sogleich empört zu betonen, wie viel „Mist“ und „Unwahrheiten“ über die Aktion in den Medien verbreitet werde. „Die haben doch nichts Schlimmes gemacht. Die waren total höflich.“ Es sei doch nichts dagegen zu sagen, wenn Leute versuchen, andere vom Trinken oder von Drogen abzuhalten.

Genau das ist die Argumentationslinie, die nun von Sven Lau und seinem Gesinnungsbruder Pierre Vogel verfolgt wird. In mehreren weiteren Videos machen sie sich darüber lustig, wie gut die Sache eingeschlagen habe. „Das war nur eine Testversion, wir wollten nur zeigen, wie schnell sich alle auf uns stürzen, nur wegen eines Namens“, sagt Lau. „Mit Allahs Erlaubnis werden wir bald in alle Städte kommen und den einen oder anderen Bruder oder Schwester von diesen Schändlichkeiten abhalten. Einfach nur dadurch, dass man uns sieht, indem man uns wahrnimmt.“

Nicht nur der Wuppertaler Moscheeverein hat sich klar distanziert von der Aktion, auch Islamverbände und gläubige Muslime in ganz Deutschland. Ersin Özcan, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender des Dachverbands Ditib, nannte die Außenwirkung von Laus Aktion „schädlich“: „Viele stecken alle Muslime in eine Schublade.“