CSU-Chef hat ein Personalproblem, die Maut spaltet die Union, in der Außenpolitik ist die Partei kaum wahrnehmbar

München. Im Prinzip sei er noch im Urlaub, eigentlich aber auch in der Staatskanzlei, heißt es in der CSU. Zwar konnte Horst Seehofer im Altmühltal ausgiebig sein neues Elektrofahrrad testen, Ruhe aber findet der CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident in dieser Sommerpause nicht. Ein Krisengespräch nach dem anderen steht auf der Tagesordnung. Denn die Umsetzung der politischen Agenda in München und Berlin stockt, und es gibt Personalprobleme.

Nachdem er schon Anfang des Jahres mit dem Rücktritt von Hans-Peter Friedrich den Posten des Landwirtschaftsministers neu besetzen musste, hat Seehofer nun ein neues Besetzungsproblem in München. Nach dem späten Rücktritt von Christine Haderthauer, die über ein fragwürdiges, familiäres Geschäftsmodell mit Miniaturautos gestürzt ist, muss der Ministerpräsident schnell einen neuen Staatskanzleichef finden. Spätestens bis zur ersten Kabinettssitzung am 9. September hat Seehofer Zeit, wenn er nach der Haderthauer-Hängepartie nicht als noch zögerlicher erscheinen will.

Die Kandidatenauswahl ist nicht groß. Kein Nachfolger drängt sich auf. Zu den inhaltlichen Schwächen der CSU kommt jetzt noch das Personalproblem, das eigentlich ein Frauenproblem ist. Christine Haderthauer war lange Zeit eine der profilierteren Quotenfrauen der Partei. Sie war nicht beliebt, ihre Qualitäten als machtbewusste, Talkshow-taugliche Politmanagerin wurden in der CSU aber respektiert. Sie fühlte sich als die rechte Hand des Ministerpräsidenten, „zuständig für die großen Linien“ der bayerischen Regierungspolitik, zudem ganz offiziell zuständig für die Bundesangelegenheiten und „Sonderaufgaben“. Und sie half Seehofer die selbst auferlegte Frauenquote von 40 Prozent in den Führungsetagen zu erfüllen.

Eine Nachfolgerin, die diese Stellenbeschreibung ausfüllen kann, ist nicht in Sicht. In der Landtagsfraktion gibt es keine Frauen mit Regierungserfahrung oder mit einem gewachsenen Führungsanspruch, der an der Spitze der bayerischen Machtzentrale notwendig ist.

Deshalb kursieren jetzt Namen von Staatssekretären und jüngeren politischen Talenten, die zwei Kriterien erfüllen: Sie dürfen nicht in die Verwandtenaffäre verwickelt gewesen sein, und sie müssen wegen des Regionalproporzes – wie Christine Haderthauer – aus Oberbayern kommen. So stehen nun auf der Liste: der Bildungspolitiker Georg Eisenreich, der Innenpolitiker und Jurist Florian Herrmann sowie Markus Blume, Leiter der Grundsatzkommission. Denkbar wäre auch Umweltminister Marcel Huber, der 2001 schon Staatskanzleichef war, allerdings heilfroh ist, diese Station hinter sich zu haben.

Die Personalprobleme offenbaren die Schwächen des Erneuerungsprozesses, den Seehofer der CSU verordnet hatte: Seit Amtsantritt 2008 hat er versucht, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Jüngere sollten ran, Frauen vor allem, die Macht in der zweiten Reihe wurde geteilt. Lieber wollte er hinter sich eine Schar möglicher Nachfolger versammeln, als sich durch einen Strahlemann wie es Karl-Theodor zu Guttenberg war, bedrängen lassen.

Horst Seehofer hält diese Phase für abgeschlossen. Längst will er Stufe zwei zünden: die Strahlkraft seiner CSU nach außen wieder erhöhen. Als Juniorpartner in der Großen Koalition ist das nicht einfach. Es erfordert Einsatz und Ideen. Momentan scheint aber nur die Frage einer Straßen-Maut die CSU zu bewegen. Deshalb hat sich Seehofer für den Herbst vorgenommen, in die Offensive zu gehen. Die CSU soll wieder mit Wirtschaftspolitik wahrgenommen werden. Eine Steuerreform ist noch nicht zu den Akten gelegt. Unter dem Vorsitz des Bundestagsabgeordneten Florian Hahn sollen CSU-spezifische Akzente für die deutsche Außenpolitik gesetzt werden. Eines ihrer zentralen Elemente soll der Umgang mit Flüchtlingen sein.

Das Vorhaben ist ambitioniert, die Wirkung aber fraglich. Denn in den aktuellen weltpolitischen Krisen hat man die Seehofer-Partei bisher nicht als profilierten Akteur wahrgenommen. Ihr in der Sicherheitspolitik am meisten beschlagene Politiker ist Christian Schmidt – der ist aber gerade Landwirtschaftsminister. Zudem sind sich Schmidt und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller – der eigentliche Außenminister der CSU – nicht einig, wie weit die militärische Unterstützung etwa der Kurden im Irak gehen soll. Müller ist da wesentlich zurückhaltender als Schmidt.

Ein anderer Außenpolitiker, Peter Gauweiler, hat sich in der Bewertung des Ukraine-Konflikts oft auf die Seite Russlands geschlagen. Wenn die CSU aber nicht mit einer Stimme spricht, wird man ihr ein außenpolitisches Gesamtkonzept kaum abnehmen.

An der Entscheidung über Waffenlieferungen an die Kurden wurde die CSU erst beteiligt, als Kanzlerin Angela Merkel mit den Ministern Ursula von der Leyen und Frank-Walter Steinmeier darüber schon entschieden hatte. Seehofer war nicht begeistert. Er ist sich im Klaren, dass die CSU bei der Außenpolitik im Moment wie der Zaungast dasteht.

Hinzu kommt, dass er in Berlin fast täglich für die Idee einer Pkw-Maut für Ausländer werben muss – bei den eigenen Leuten. Die Auseinandersetzung über die Pläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt erfolgt weniger zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien als innerhalb der Union. Dass sich einige Landesverbände der CDU geschlossen dagegen ausgesprochen haben, die Maut auch auf Bundesstraßen zu erheben, hat Seehofer brüskiert. Mit jeder Woche, die die Maut-Auseinandersetzung läuft, verliert Seehofers Lieblingsminister an Reputation. Dem Gewicht der CSU in Berlin und innerhalb der Großen Koalition hilft das natürlich nicht.

Und mit Haderthauers Rücktritt ist auch diese Angelegenheit für Seehofer nicht ausgestanden. Die Modellbauaffäre, die wie die Verwandtenaffäre daran erinnert, wie ausgeprägt der Erwerbssinn in Teilen der CSU nach wie vor ist, soll im Herbst Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Landtag werden. Dass dort neben dem Modellbauer, einem verurteilten Mörder, auch der Ministerpräsident als Zeuge geladen wird, gilt als ausgemacht.