CDU lehnt Maut-Pläne der CSU ab, die wirft der Schwesterpartei „Ahnungslosigkeit“ vor. Nur einer von vielen Konflikten

Berlin. Die Pkw-Maut ist nicht gerade das Lieblingsprojekt der Regierung. Die SPD will die Maut nicht, die CDU will sie nicht. Nur die CSU, die will sie. Und weil die Gebühr für ausländische Autofahrer eine Bedingung von Parteichef Horst Seehofer zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrages war, kriegt die CSU die Maut. So funktioniert Politik in der Union. Dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) plötzlich nicht nur Autobahnen, sondern alle Straßen mit einer Pkw-Maut belegen will, sorgt in der CDU für Ärger. „Das war nicht verabredet“, sagte Vizeparteichef Armin Laschet mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Die CSU keilte zurück. Die Kritik aus der CDU zeuge von „tiefer Ahnungslosigkeit“, bellte Generalsekretär Andreas Scheuer. Es ist nicht der erste Streit der beiden Schwesterparteien seit Regierungsbildung. Und nicht der einzige:

Steuerpolitik

Seit Monaten wird in Berlin über Steuersenkungen diskutiert. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sehen derzeit keinen Spielraum dafür. Deshalb will die CDU auch keine konkreten Vorschläge unterbreiten. Diesen Job übernimmt allerdings ungefragt die CSU. Bayerns Finanzminister Markus Söder arbeitet gerade an einem Konzept für einen Abbau der kalten Progression. Und auch bei der Verwendung des Solidaritätszuschlages hat München andere Vorstellungen als Berlin. Merkel und Schäuble wollen am Soli festhalten. Söder will den Zuschlag auf die Einkommensteuer halbieren.

Waffenlieferungen

Grundsätzlich trägt die CSU die Lieferung von Waffen an die Kurden im Nordirak zwar mit. Doch in der CSU ist man bei dem Thema aus zwei Gründen über die CDU verärgert. Erstens war niemand aus der CSU in der entscheidenden Runde zugegen, als die Lieferungen beschlossen wurden. Zweitens will die CSU anders als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Entschluss keinesfalls als Präzedenzfall verstanden wissen, sondern sieht ihn als Ausnahme. Von der Leyen hatte in einem Interview erklärt, man müsse bei Waffenlieferungen jetzt „Tabus beiseitelegen“.

Europapolitik

Die CSU war in den Europawahlkampf mit einem „Europaplan“ gezogen, der eine Halbierung der EU-Kommission und Volksabstimmung über EU-Fragen vorsah. In der CDU hielten das viele für blanken Populismus. „Da ist von vornherein klar: Das kommt nicht. Aber die CSU will damit offenbar potenzielle AfD-Wähler binden“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul.

Energie

Richtig in die Parade gefahren ist CSU-Chef Seehofer der Bundesregierung bei der Energiewende. Um im Norden produzierte Windenergie nach Süden zu transportieren, müssen kreuz und quer durch die Republik viele Hundert Kilometer lange Stromtrassen gezogen werden. Eine davon, die Süd-Ost-Trasse, soll bald durch die Wiesen Bayerns verlaufen. Lange Zeit war der Bau der Trasse unstrittig. Bis Seehofer im April pünktlich zu den Kommunalwahlen in Bayern merkte, auf welche große Ablehnung die Strom-Autobahn in seinem Freistaat trifft. Der CSU-Chef schwenkte um: „Wir alle wollen die Trasse nicht“, erklärte er. Dieser Kurswechsel sorgte nicht nur in der SPD, sondern auch in der CDU für Kopfschütteln. Nun soll der Bau der Trasse noch einmal geprüft werden.

Innere Sicherheit

Beim Thema Armutszuwanderung hatten sich CDU und CSU bereits Anfang des Jahres in die Haare bekommen. Anlass dafür war die vollständige Öffnung des EU-Arbeitsmarkts auch für Bulgaren und Rumänen. Mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ forderte Seehofer Wiedereinreisesperren für Sozialbetrüger. Der Satz kam auch in der CDU nicht gut an. „Die ernsthaften Probleme, die es in Duisburg, Dortmund und Köln gibt, haben logischerweise nichts mit der neuen Freizügigkeit zu tun“, sagte etwa NRW-Landeschef Laschet. Die CSU hielt aber an ihren Plänen für schärfere Regeln fest. Im geplanten Gesetzespaket zur Armutszuwanderung, das an diesem Mittwoch im Kabinett ist, wollte sie festschreiben, dass EU-Ausländer, die in Deutschland arbeiten und ihre Kinder im Heimatland lassen, deutlich weniger Kindergeld erhalten. Außerdem wollte die CSU einen Ausschluss von Sozialleistungen für die ersten drei Monate eines Aufenthalts in Deutschland prüfen lassen. Durchsetzen konnte sich die Partei kaum, aus dem letzten Gesetzesentwurf sind die meisten ihrer Forderungen herausgefallen.

Maut

Das größte Konfliktpotenzial zwischen CDU und CSU steckt sicher in der Maut. Von deren Erfolg hängt die politische Zukunft von Verkehrsminister Dobrindt ab. Bis Ende des Jahres will er einen Gesetzentwurf vorlegen. Demnach sollen alle Autofahrer auf allen deutschen Straßen eine Maut zahlen. Das sorgt in der CDU für Kritik. CDU-Vizechef Laschet sagte, er wolle eine Lösung finden, „wo nicht jeder Feldweg, jede Kreisstraße demnächst bemautet wird“. Auch in Baden-Württemberg kommt der Vorschlag nicht gut an: „Eine Maut, die den kleinen Grenzverkehr erschwert oder gar unterbindet, wäre zum Nachteil der Grenzregionen“, hatte Baden-Württembergs CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl gesagt. Die Sozialdemokraten halten sich aus dem Streit um die Maut ganz bewusst raus. Lieber sieht man der Fehde zwischen CDU und CSU genüsslich am Spielfeldrand zu. Denn wenn zwei sich streiten, freut sich bekanntlich der Dritte.