Hamburger Abendblatt und „Thüringer Allgemeine“ ziehen die 25-Jahre-Bilanz der friedlichen Revolution im Osten

Hamburg. „Opa erzählt vom Krieg“, hieß es früher, wenn ein älterer Zeitgenosse in bis dahin fröhlicher Runde seine Lebenserinnerungen in aller Ausführlichkeit zum Besten gab. „Opa erzählt vom Mauerfall“, könnte es heute heißen – oder vom Leben im geteilten Deutschland, in der DDR oder damals in Westberlin. Wollen junge Menschen heute noch die alten Geschichten von damals hören? Von getrennten Familien, West-Paketen, lebensgefährlichen Fluchten, Mangelwirtschaft, Kaltem Krieg – und schließlich der friedlichen Revolution in der DDR samt Mauerfall und Wiedervereinigung im Jahr darauf?

Der größte Teil der jungen Generation dürfte das heutige Deutschland als Selbstverständlichkeit empfinden. Viele Westdeutsche haben die Universitäten im Osten als geeigneten und spannenden Studienplatz entdeckt. Umgekehrt ziehen viele Thüringer, Sachsen oder Mecklenburger zur Ausbildung oder um Arbeit zu finden in den Westen – oder gleich ins Ausland. Dennoch gibt es auch bei denen, die aufgrund ihrer Jugend die Teilung gar nicht mehr kennen, unterschiedliche Verhaltensweisen – Dialekte sowieso. Ossi-Wessi-Vorurteile sterben so schnell nicht aus, sie werden oft zu Hause weitergegeben und vorgelebt.

Das geschieht im Osten durch jene Generation, die damals, im Sommer und Herbst 1989, das SED-Regime zum Einsturz brachte, sich in Bürgerinitiativen oder dann in neuen politischen Parteien engagierte – oder einfach nur demonstrieren ging. Oder aber regimetreu war. Viele im damals besten Alter um die 40 oder 50 waren durch die Erziehung in der DDR geprägt, hatten mehr Angst vor dem Ungewissen, vor dem, was der „Klassenfeind“ mit dem real existierenden sozialistischen Gebilde auf deutschem Boden und seinen Menschen anstellen würde. Und auch Angst vor der Freiheit, vor dem Scheitern einer Lebensidee oder ganz konkret vor Arbeitslosigkeit.

Vorurteile gibt es auch bei manchen aus der mittleren Generation im Westen. Sind das nicht immer noch Kryptokommunisten da im Osten, die fleißig Die Linke (ehemals PDS und SED) wählen? Faul, unproduktiv – und teuer. Der Soli lässt den Staat noch tiefer in die Taschen der Steuerzahler greifen – übrigens auch in die der Ostdeutschen. Wie lange soll das noch gehen, und verkommt nicht die Infrastruktur in vielen Gegenden im Westen? Und doch hat sich auch im Westen viel zum Positiven geändert: Hamburg etwa hat nicht nur sein historisches Hinterland wieder. Ganz Osteuropa steht als Geschäftspartner wieder bereit.

Und schließlich die Kriegsgeneration: Wie hat sie, die Deutschland in Ost und West aus den Trümmern wiederaufgebaut hat und gleichzeitig die Teilung erleben musste, Wende und Wiedervereinigung erfahren? Im Osten stand sie 1989 kurz vor dem Ruhestand oder war schon in Rente – und damit kaum mehr in der Lage, an den Veränderungen aktiv mitzuwirken.

„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wiederin blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt“, prophezeite 1990 Bundeskanzler Helmut Kohl. Dafür wurde er oft belacht, verspottet und auch angefeindet. Aber hatte er wirklich so unrecht? „Mit der Einheit ist es wie mit der Demokratie: Sie ist nie fertig. Sie muss gelebt, erprobt, im Alltag immer wieder neu erkundet und weiter vermittelt werden“, sagte 2009 der damalige Bundespräsident Horst Köhler. Ihm dürften weniger Menschen widersprechen. Aber wie genau soll dieser Prozess aussehen?

Ein Vierteljahrhundert nach der Wende wollen das Abendblatt und die „Thüringer Allgemeine“ nicht allein Politikern das Feld für staatstragende Reden überlassen, sondern drei Generationen unserer Leser auf der Wartburg miteinander in eine Debatte über Erreichtes und noch zu Erreichendes bringen. Am 30. September werden jeweils 24 von ihnen aus Hamburg und Thüringen auf jener Burg in der Mitte Deutschlands in einem „Parlament der Einheit“ darüber beraten und streiten, wie sie heute den Osten und den Westen sehen, was die vergangenen 25 Jahre gebracht haben und was die Politik leisten muss, um weiter voranzukommen. Das soll am Ende der Debatte in Forderungen der drei Generationen an die Volksvertreter münden.

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