Finanzminister Söder will eine innerdeutsche Finanzaufsicht. Ökonom fordert Strafsteuern in Ländern, die nicht sparsam haushalten

Berlin. Wenn die Troika einem Euro-Krisenstaat einen Besuch abstattet, ist regelmäßig der Teufel los. Demonstranten blockieren die Straßen, sie bewerfen die Autos der Vertreter von EU, Notenbank und Weltwährungsfonds, sie zünden Mülltonnen an. Die Troika soll überwachen, ob die Euro-Krisenstaaten sich an ihre Sparprogramme halten. Doch die Finanzpolizei übertreibe es mit ihrem Spardiktat maßlos, finden die Südeuropäer. Entsprechend groß ist der Hass auf sie.

Genau so eine „Schulden-Troika“ will nun Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) in Deutschland einführen – für die Bundesländer. Mit einer starken innerdeutschen Finanzaufsicht will Söder die hoch verschuldeten Landesregierungen im Norden und Westen der Republik unter Kuratel stellen. „Wir stellen uns vor, dass wie beim europäischen Fiskalpakt nicht nur Gelder verteilt werden. Es muss auch deren Verwendung überwacht werden, so wie es die EU-Troika auf europäischer Ebene tut“, sagt Söder. Während Ökonomen den Vorschlag für sinnvoll halten, sind andere Länder wenig begeistert.

Bereits heute soll der 2010 errichtete sogenannte Stabilitätsrat über die Finanzen von Bund und Ländern wachen. Der Rat wurde im Zuge der letzten Föderalismusreform eingeführt. Er kann den Haushalt von hoch verschuldeten Ländern unter Aufsicht stellen und sie dazu verpflichten, Sanierungsprogramme auszuarbeiten. Hält sich ein Land nicht an den Plan, kann der Rat dies öffentlich machen, Sanktionen aussprechen kann er jedoch nicht.

Doch damit ist der Stabilitätsrat ein zahnloser Tiger. Sechs der 16 Länder müssten ihre Ausgaben weiter kräftig senken, um bis 2020 die Ziele der Schuldenbremse zu erreichen: das Saarland, Bremen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Der Spardruck für die Länder ist also immens. Doch der Stabilitätsrat beließ es in der Vergangenheit bei Mahnungen. Selbst als das hoch verschuldete Bremen im Herbst vergangenen Jahres gegen den vereinbarten Sanierungsplan verstieß, setzte es keine offizielle Rüge. „Es ist ganz wichtig, dass der Stabilitätsrat scharfe Zähne bekommt“, sagt Söder. Im Herbst wollen Bund und Länder sowie die Länder untereinander ihre Finanzbeziehungen neu ordnen. Bayerns Finanzminister will in den Verhandlungen die Stärkung des Stabilitätsrats auf die Tagesordnung heben. Bayern war 2013 eines von drei Geberländern im Länderfinanzausgleich. Der Freistaat zahlt allein knapp mehr als die Hälfte aller Mittel in den acht Milliarden Euro schweren Topf ein. Söder will künftig nur noch Zahlungen leisten, wenn sichergestellt ist, dass die anderen Länder mit dem Geld solide wirtschaften. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll dem Vorschlag gegenüber nicht abgeneigt sein. Viele Bundesländer fordern im Vorfeld der anstehenden Verhandlungen, der Bund solle ihre Zinslasten übernehmen. Nur so könnten sie bis 2020 die Schuldenbremse erreichen. Schäuble kann sich die Einrichtung eines „Altschuldenfonds“ vorstellen, aber nur unter der Bedingung, dass der Stabilitätsrat gestärkt wird.

Nordrhein-Westfalen plädiert für einen „Soli Ost plus West“

Auch Ökonomen halten eine stärkere Finanzaufsicht für die Bundesländer für sinnvoll. Laut Verfassung haften Bund und Länder für ihre Schulden untereinander. „Es ist ein Unding, dass sich ein Land ohne Ende verschulden kann, und am Ende müssen der Bund und die anderen Länder es rausboxen. Das setzt völlig falsche Anreize“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Besonders kleinere Länder wissen, dass sie im Notfall gerettet werden würden. „Deshalb brauchen wir dringend eine stärkere Koordinierung der Bundesländer durch den Stabilitätsrat“, sagt Fuest. Ideen dafür hat der Ökonom bereits entwickelt. Finanzstrafen würden nicht viel bringen, da am Ende sowieso alle Länder füreinander haften. Der Finanzwissenschaftler schlägt deshalb Strafen vor, die einer Landesregierung wirklich wehtun würden: „Der Stabilitätsrat sollte Bundesländer bei einer zu hohen Verschuldung verpflichten können, einen Aufschlag auf die Grund- oder Einkommenssteuer zu erheben“, sagt Fuest. „Die Wähler würden ihre Landesregierung in solch einem Fall entsprechend abstrafen – und die Finanzpolitik dadurch disziplinieren.“ Außerdem sollte der Stabilitätsrat schon jetzt klare Sanierungsprogramme bis 2020 für die Länder vereinbaren, um den Ländern den Übergang zur Schuldenbremse zu erleichtern.

Andere Bundesländer sind von der Idee wenig begeistert. „Dass Herr Söder Verständnisprobleme mit Ziel und Wirkungsweise des Länderfinanzausgleichs hat, wird nicht erst mit seinem neuerlichen Vorstoß deutlich“, sagt Norbert Walter-Borjans (SPD), Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Der Beitrag Bayerns und anderer Länder wie NRW hänge nicht davon ab, wie viel die Empfängerländer ausgeben und wofür sie das tun, sondern ausschließlich von der Steuereinnahmekraft der Länder. Walter-Borjans und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) dringen immer stärker auf eine Neuordnung des Finanzausgleichs und einen „Soli Ost plus West“. Walter-Borjans moderiert mit Bundesfinanzminister Schäuble die Arbeitsgruppe zur Erneuerung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und beklagt, dass der Finanzausgleich längst eine „Schlagseite“ habe. NRW sieht sich finanziell benachteiligt und verlangt Entlastungen sowie zusätzliche Solidarmittel, die unabhängig von der Himmelsrichtung dorthin fließen müssten, wo der tatsächliche Bedarf bestehe. Dabei kritisiert Walter-Borjans, dass mittlerweile die Hälfte des Soli-Aufkommens für die ostdeutschen Bundesländer von jährlich insgesamt rund 15 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt fließe.