Bundesregierung will den IT-Rückstand wettmachen. Dafür braucht sie Geld und Partner

Berlin. Hand in Hand ins digitale Land – so wollen sich Wirtschafts-, Innen- und Infrastrukturminister am 20. August bei der Vorstellung ihrer „Digitalen Agenda“ präsentieren. Gemeinsam mit seinen Ministerkollegen Thomas de Maizière (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) will Sigmar Gabriel (SPD) das Land wach küssen. Nach „15 Jahren Dornröschenschlaf“, wie es Jens Koeppen (CDU), der Vorsitzende des neuen Bundestagsausschusses „Digitale Agenda“ formuliert. Seit im Vorfeld bekannt wurde, was genau die Minister planen, hagelt es Kritik von allen Seiten:

Stichwort Infrastruktur: Deutschland liegt im europäischen Vergleich weit zurück bei der Netzanbindung der Verbraucher. Hier ist jetzt das Ziel gesetzt, bis 2018 landesweit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu ermöglichen. Diese Zahl liegt deutlich hinter dem von der Industrie prognostizierten Bedarf und wird dennoch, zumal in ländlichen Regionen, nur schwer zu erreichen sein.

Stichwort Datensicherheit: Die Zuständigkeiten für öffentliche Beschaffung von sicherheitsrelevanter Soft- und Hardware und die Datensicherheit öffentlicher Einrichtungen sind weit verstreut. Fachleute reden von „vernetzter Unsicherheit“. So müssen sich zum Beispiel bei der Ausstattung der Kanzlerin mit einem Krypto-Handy mehr als ein Dutzend Regierungsstellen miteinander koordinieren. Zudem gelten die behördlichen Prüfstandards als überholt – wenn sie überhaupt angewandt werden.

Stichwort Digitale Wirtschaft: Deutschlands Volkswirtschaft führt weltweit die Statistik mit den höchsten Schäden durch Cyber-Verbrechen an (relativ zum Bruttosozialprodukt).

Schon beim sicherlich populärsten Ziel der „Digitalen Agenda“ – 50 Megabit pro Sekunde bis 2018 für jeden – stellt sich die Frage nach dem lieben Geld. Gerade einmal zweistellige Millionenbeträge sind im Haushalt des Finanzministers dafür vorgesehen. Milliarden aber wären nötig, doch selbst ein zentraler Etat für die Digitalisierung fehlt. Schäubles Planung sieht gar Kürzungen vor. Auch bei Verkehrsminister Dobrindt (CSU) soll das Budget für die „Förderung und Entwicklung von informations- und kommunikationstechnischen Infrastrukturen, Breitband“ sinken – von drei Millionen Euro (2014) auf zwei Millionen Euro (2015). De facto müssten 20 bis 30 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 investiert werden. Die mit DSL-Technik aufgerüsteten Kupferkabel sind zum Standortnachteil geworden. Glasfasertechnik ist unerlässlich. Das Stadt-Land-Gefälle ist beträchtlich. Im städtischen Bereich etwa verfügen immerhin 81,4 Prozent der Haushalte über den 50-Megabit-Standard, im ländlichen Bereich nur magere 18,8 Prozent.

Wohl auch im Wissen um all diese Defizite hatte Kanzlerin Merkel erst am Dienstagabend dieser Woche die drei zuständigen Minister zum Rapport ins Kanzleramt gebeten. Zwei Stunden lang stellten ihr Vize Gabriel, Dobrindt und de Maizière das Konzept für die Digitalisierung Deutschlands vor. Größtes Risiko ist die Finanzierung der vielen gut gemeinten Projekte. Dobrindt hofft, dass er zumindest einen Teil der nötigen Milliarden beschaffen kann – und setzt dabei große Hoffnungen auf den Verkauf der Rundfunkfrequenzen an die Dienstleister, die ihrerseits das Breitband ausbauen sollen.